1.
Die stunden werden tage,
Weil ich, mein Licht! von dir entfernet bin:
Flieht, stunden, flieht doch bald dahin!
Daß ich nicht mehr auf das verhängniß klage.
Denn länger ohne dich, o Flavia! zu seyn,
Ist eine höllen-gleiche pein.
2.
Indessen, sanffte winde!
Die ihr vorlängst mein heises sehnen wißt,
Macht, daß mein ach die lippen küßt,
Auf denen ich allein mein labsal finde.
Du aber schicke mir, zum leit-stern meiner ruh,
Durch diese post ein küßgen zu.
3.
Doch weichet, ihr gedancken!
Den mund vergnügt kein eingebildter kuß:
Ihr mehrt zuletzt nur den verdruß,
Und führt den geist noch weiter aus den schrancken.
Denn küsse, die zu uns durch winde kommen sind,
Sind auch sonst nichts als lauter wind.
4.
Drum flieht, ihr phantasien!
Ein weiser sinn hengt keinen grillen nach:
Denn die vernunfft heißt allgemach
Der sorgen dampff vor ihrem lichte fliehen.
Sie zeigt, daß die geduld auch bey den dornen lacht,
und aus den tagen stunden macht.
(Theil 5 S. 572-573)