Elegie

So plötzlich todt! Vor Tagen glühte
In frischer Jugend noch ihr Blut!
Und was in ihrem Herzen blühte,
Es sprach aus ihrer Augen Gluth.

So jung! und schwarze Schollen wälzen
Erbarmungslos sie auf ihr Grab,
Die ihres Busens Schnee zu schmelzen
Erlaubniß meinen Gluthen gab.

 Den Kuß ist schuldig sie geblieben,
Den mir der rothe Mund versprach,
Die Phantasie eilt fortgetrieben
Ihr in die Gräberwelt jetzt nach;

Schmiegt an die marmorkalten Wangen
Sich wie Pygmalion einst an
Und meint, ihr glühendes Verlangen
Belebe sie, in ihrem Wahn.

Sie aber ruht, im Angesichte
Des Todes kalte Majestät,
Und antheillos macht sie zu nichte,
Was heiß und irdisch mich durchweht.

Ich weiß, wenn ich sie auch besessen,
Ein wilder Dämon wohnt in mir,
Ich hätte wieder sie vergessen,
Wie manche And're schon vor ihr.

Doch weil sie todt, folgt ihr gefangen
Noch in die Gruft mein flücht'ger Geist,
Und Schmerz und Zorn färbt mir die Wangen,
Daß mich's zu ihr hinunter reißt.

Weh mir! den keine Lebensrothe
Für lang zu fesseln noch verstand,
Jetzt hält mich wehrlos eine Todte
Mit ihrer kalten Grabeshand.

aus: Gesammelte poetische Werke
von Ludwig August Frankl
Erster Band
Wien Pest Leipzig A. Hartleben's Verlag 1880

Collection: 
1880

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