An eine Erscheinung

I.
O, daß du kamst! Ach, daß du gingest
und ließest uns zurück,
die du in Netzen fingest
aus hellen Haaren und aus Blicken,
mit denen du an jedem von uns hingest
und ihn bezaubertest.

O, daß du gingst! Ach, daß du ließest
uns Beute, uns Gefesselte,
uns, denen du verhießest
Rausch, Kampf und Sieg und Opferglück.
Ach, daß du gingst und nicht genießest,
was du erbeutetest.

Wie Sonne kamst du und verschwandest
zur Nacht; doch blieb ein Feuerband,
mit dem du uns umwandest.
Du bandest uns, so daß wir folgen,
wohin du willst, du landest oder strandest,
die du erobertest.

Du hast verführt, entzweit und doch vereinigt,
uns Sklaven gleich und Süchtigen
von Eifersucht gereinigt,
geblendet uns mit gleichem Licht;
du hast mit Sehnsucht uns gepeinigt,
die du entzündetest.

II.
Doch, du tratest wieder in den Kreis,
du berücktest uns,
standest beim Wettstreit als der Preis,
wartend, stolz und kühl,
alle unsere Sinne wurden heiß,
wir sind aufgewühlt.

Nie vergißt die Gunst, bei dem du schliefst.
Deine Süße bleibt im Blut.
Jener Ton, mit dem du riefst,
klingt im Ohr uns fort.
Deine Wollust, die du neu und neu vertiefst,
dauert bis zum Tod.

Wie du weitergehst von Hand zu Hand,
dem zu, den du wählst,
sei verflucht und sei verbrannt
als ein Zauberweib,
Scheiterhaufen werde zuerkannt
deiner Hexerei.

Komm, Geliebte, sei bereit
für den Flammenstoß,
dem du selber dich geweiht,
daß dein Leib verbrennt
sehnsuchtstoll, daß einmal er gefreit
werde von seinem Herrn.

III.
Einer Schar verzückter Falter gleich,
die dem Gott im Lichte dienen müssen,
eine Nacht lebendig, eine reich,
Tänzer, Beter vor der Flamme,
sind wir Männer, hast uns du gefunden.

Alle reizt dein Schein und lockt dein Licht,
keiner fliegt zurück mit heilem Flügel,
rührst dich nicht und riefst uns nicht,
Teufelin und Gnadenflamme,
du versengst uns in den Opferstunden.

Alle, alle, die an dir entzückt,
tragen Brandmal durch ihr Leben weiter,
sind gemeiner Lust entrückt,
sind gezeichnet von der Zauberflamme,
bis zum Tod im Blut gebunden.

Spenderin und Bettlerin zugleich,
wirst du selber niemals brennen?
Du bleibst arm und machst uns reich,
frierst in deiner eigenen Flamme;
Feuer brennt in unseren Wunden.

Collection: 
1895

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