Eine Einsame

Sie war eine wendsame, blasse Gestalt -
Sie schien fast zeitlos, - nicht jung, nicht alt;
Sie hatte scheue, krystallene Augen,
Die zum harten Leben nicht mochten taugen ...

Sie schwebte so zart durch Zeit und Raum,
Als ob sie besinge ein fremder Traum,
Und die fordernde Pflicht und die lärmenden Stunden,
Die mochten ihr seltsames Herz verwunden.

Sie schien mir auf Erden heimatlos -
Es suchte ihr Blick, so fragend groß
Nach süßen, fernen Unmöglichkeiten
In Menschenherzen und Himmelsweiten ...

Man nannte sie unnütz und überspannt,
Denn die arme, die blasse, die kranke Hand,
Die konnte nicht fröhlich ringen und schaffen
Und das Glück durch frische Thaten erreffen.

Dann löschte sie aus, wie ein Lichtlein im Wind,
Wie ein fallender Stern in Lüften zerrinnt -
Es war in den ersten Frühlingstagen -
Und Keiner, Keiner wird um sie klagen ...

Mich aber trifft manchmal zur Dämmerzeit
Ihr sterbender Blick voll glühendem Leid;
Und mitten im wildesten Weltgetriebe
Anklagend, hilflos, fragend um Liebe - -

aus: Offenbarungen. Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Stuttgart 1894

Collection: 
1885

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