Ein Memento

Was streichelst du so sorglich mir die Stirn
Und küssest sie, wenn ich im Arm dich halte?
Ich ahn' es wohl: verscheuchen möchtest du
So gern die eine tiefgegrabne Falte.

Umsonst, mein Kind; sie grub ein schneidend Weh,
Das mir das Herz versehrt in jungen Jahren,
Und nimmer schwinden wollte sie seither,
Was ich auch Liebes je durch dich erfahren.

Ach, nur aus deinen Augen kamen mir
Die Sonnenblicke, die mich je getroffen -
Allein sie kamen! Und das war genug,
Nach jedem Schiffbruch wieder neu zu hoffen.

So zürne nun der treuen Falte nicht,
Will von der ernsten Stirne sie nicht weichen!
Daß deiner Lieb' und Langmut ich bedarf,
Sei dieser Schatten dir ein stilles Zeichen.

Collection: 
1902

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