Es fühlte Frau Venus den Gürtel zu enge,
Und dachte, was kann wohl der Grund davon seyn;
Es fielen ihr sicher die nächtlichen Gänge
Des Gottes der Krieger so eben nicht ein.
Doch, um sich den Kopf nicht mit Grillen zu plagen,
Denn diese, das wusste sie, kleiden sie nicht,
Beschloss sie, die Parzen um Rath zu befragen.
Sie eilet mit Schnelle zum Orkus und spricht:
"Erfahrene Schwestern, lasst ruhen die Spindel,
O lasset die schneidende Scheere nur seyn,
Und saget, was macht mir wohl Kopfweh und Schwindel,
Den Gürtel und selbst dieses Mieder zu klein."
Da lächelten nun die erfahrenen Schwestern,
Und sahen die Venus bedächtiglich an,
Und sprachen: ihr fraget, als wär't ihr von gestern,
Und sehet euch selbst wohl die Schwangerschaft an.
Drauf liess sich die Älteste weiter vernehmen,
So runzlich als eben geackertes Feld,
Ihr müsst zur Geduld euch, Frau Venus, bequemen,
Ihr bringet die giftigste Schlange zur Welt.
Nein, sicher ein Ungeheuer wird sie gebären,
So rief nun die jüngere Lachesis drein:
Mein Schwesterchen Klotho, dein Urtheil in Ehren
Das Kind wird ein schreckliches Ungeheur seyn.
Doch Atropos meinet, ihr irrt alle Beyde;
So wahr meine Hand diese Scheere noch hält,
Bringt Venus die Folgen der nächtlichen Freude
In einer hellbrennenden Flamme zur Welt.
Nun quälte sich Venus mit künftigen Dingen,
Und grämte und weinte die Augen sich nass.
Als sie, eh' noch einige Monden vergingen,
Des schönsten und niedlichsten Knäbchens genass.
Da haben sich wahrlich die Parzen betrogen,
O seht nur das Knäbchen mit goldenem Haar!
Doch hatte der Schwestern nicht eine gelogen,
Weil Venus so eben die Liebe gebar.
Aus: Gedichte von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812 Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn