In der Rosenzeit

Versammelt, traute Mädchen, euch um mich,
Kommt, horcht dem Saitenspiele, das ich frisch
Mit Ros' und Myrten festlich mir gekränzt,
Euch, holde Jungfrau'n, tön' es heut allein.

Hier, nehmt die Rosen, weiss und zart und roth,
Und röthere, und halb erröthende,
Vom Mädchenfreunde Maidenblush genannt,
Und Knöspchen, tief in dunkles Moos gehüllt,
Da, nehmt die ganze liebe süsse Last
Aus meinem Schoosse; freut bewundernd euch
Der Unerschöpflichen, die rastlos giebt;
Kränzt, Mädchen, euch nach Herzenswunsche; nur
Zerknickt mir achtlos ihre Gabe nicht. -

So, hier im Lindendufte sammelt euch,
Hier in dem kleinen Rosenlabyrinth,
Herbey, ihr Honigsammlerinnen, kommt herbey,
(Denn Bienchen seyd ihr ja am regen Fleiss)
Und nun gebietet meinem Harfenspiel.
Sagt an, ihr Lieben, wovon sing' ich euch?
Ihr wisst es, welch ein Brünnlein, hell und klar
Und unversiegbar seit der Wiege mir
Die Himmlischen in dieses Herz gesenkt?
Wisst, welche Tön' in dieser Harfe ruhn?
Ich wecke sie!

Du, Philaide, winkst:
Von Rosen soll ich singen! Nun, wohlan!
So horcht dem Lied vom Röschen, das beginnt:

Ein Röschen, tief im Moos versteckt,
Von keinem Lauscher noch entdeckt,
Blüht' an dem Bächlein ungesehn:
Es blüht', es blühte wunderschön!

Was würzt denn für ein süsser Duft
Die frische frühe Morgenluft,
Als haucht' ein Himmlischer sie an?
Das kleine Röschen hat's gethan.

Das Röschen that's, und wusst' es nicht,
Und barg im Moos sein hold Gesicht,
Und alle Blümlein sahn mit Neid
Aufs Röschen, das so süss erfreut.

Was schaut, ihr Blümlein, so mich an?
Was hab ich, Röschen, denn gethan?
Ich armes Röschen, wüsst' ich nur,
Was ich beginn' auf dieser Flur!

Bald schwebt' ein Zephyr leicht heran,
Und wehte Röschen kosend an,
Und streichelt' süss ihr frisch Gesicht.
O Röschen! Röschen! trau ihm nicht!

Verschliess, verschliess den zarten Reitz,
Dir Röschen ziemt ein feiner Geitz,
O trau dem glatten Schmeichler nie;
Er haucht dir Tod spät oder früh.

Er kost, er weht, bald lau, bald heiss;
Und Röschen - ach! des Gartens Preis,
Beut ihm den Kelch voll Süssigkeit,
Des Freudegebens hoch erfreut.

Er trinkt, entfaltet, und zerstreut -
Und Röschen, sonst der Blümlein Neid,
Sieht ihre Reitze bald verweht,
Und von dem Schmeichler sich verschmäht -

Bald flattert er mit Zephyrsinn
Zu andern Nachbarblümlein hin;
Und Röschen duldet still und schweigt
Und hängt ihr Köpfchen, und - erbleicht.

Die Jungfrau'n sahn's beym Mondenlicht.
Und pflanzten schön Vergissmeinnicht
An Röschens allzu frühem Grab,
Und wischten sich ein Thränchen ab.

Da habt ihr nun das Lied vom Röschen; du
Rosalia und Philaide du,
Was lauscht ihr emsig horchend noch
Der Harfe schon verstummtem Laut?
Hat euer Ohr des Sangs noch nicht genug?
Psycharion, was will dein Lächeln mir?
Und, sanfte Chariklea, sprich, wollt ihr
Das Lied von Psyche, die vom Himmel stammt,
In irdischem Gewand verkleidet wallt,
Die hart geprüft durchs Land der Sinne reist,
Und endlich sich zur Heimath wieder schwingt?
Merkt auf, ihr Jungfrau'n! horcht! ein neues Lied,
Das säuselnd von der Pappel niederrauscht,
Das Himmlische aus hohen Wipfeln mir
Für meiner holden Jungfrau'n Chor vertraut,
Entströmet hell dem goldnen Saitenspiel,
Das Lied von Psychens Erdenpilgerschaft:

Psyche mit den leichten Schwingen
Ward im irdischen Gewand,
Tellus Fluren zu besuchen,
Von dem Himmlischen gesandt.

Wie versenkt in tiefe Träume
Wallt sie nieder in diess Thal,
Ihre Abkunft dunkel ahndend,
Schimmernd noch mit mattem Strahl; -

Schimmernd selbst in der Verkleidung,
Wer verkennt den Ätherglanz?
Wer verkennt die lichte Bildung?
Wer den edlen Pilger ganz?

Aber Irrthumsnebel dunkeln
Ihren himmelhellen Blick,
Und der Leidenschaften Strudel
Hält die Eilende zurück.

Naht sie ach! dem wilden Strudel,
So entfällt die Fackel ihr:
Doch die Unsichtbaren schweben
Schützend um sie für und für.

Ew'ge Liebe schirmt und leitet
Durch das wirre Labyrinth.
Selbst wo sich's verlassen wähnet,
Mild ihr trautes Lieblingskind.

Deckt und trägt die tausend Mängel,
Macht durch Straucheln es gewiss,
Führt durch Irren es zur Wahrheit,
Führt's zum Licht durch Finsterniss.

Aber wach', o Psyche, wache
Dass nicht stürmende Begier
Deiner Unschuld Glück zerstöre,
Schwere Proben drohen dir.

Jetzt kommt, ihr Mädchen, ordnet nun das Mahl
Von Milch und Brot und reifer Honigfrucht;
Bestreut mit Rosenblättern uns den Tisch
Und lernt sie ganz, des Mädchens erste Kunst,
Zufriednen, frohen, stillen Sinn
Und Reinigkeit und Mässigung, gekränzt
Mit Rosen frischer Anmuth, euch
Zu heiligen Penaten weislich weihn.

aus: Neue Sammlung von Gedichten
von Caroline Rudolphi
Leipzig 1796

Collection: 
1781

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