Seht die sanfte Minna, seht,
Wie sie da so reizend steht!
Wie sich alles zu ihr drängt,
Und an ihren Augen hängt!
Ihres Lob's ist jeder voll.
Wissen möcht' ichs wirklich wohl,
Was ihr diese Reize giebt,
Und warum man sie so liebt?
Was man schön heißt, ist sie nicht:
Freundlich zwar ist ihr Gesicht,
Hell ihr Blick, kleiner Mund
Wie die Kirsche roth und rund.
Aber das ists wahrlich nicht;
Hübscher kenn' ich manch Gesicht,
Und doch nimmt es so nicht ein -
O es muß was anders seyn!
Ja, es muß was anders seyn;
Seht ihr nur ins Aug' hinein,
Strahlt nicht ihre Seel' im Blick
Lieb und Freundlichkeit zurück?
Horcht, itzt öffnet sich ihr Mund;
Doch sie spricht nicht künstlich bunt:
Wie ein Bächlein sich ergießt,
So auch ihre Rede fließt.
Süß und lauter, wie ihr Quell,
Wie das Bächlein auch so hell.
Und nun seht auch ihre That,
Schön und lieblich ist ihr Pfad.
Wo sie geht, blühn Freuden auf,
Schnell hemmt sie des Kummers Lauf,
Tröstet, hilft mit Rath und That,
Wo man Hülfe nöthig hat.
Wo man hadert, fliehet sie,
Ruhet euch mit Bitten nie,
Bis sie Frieden um sich her
Breitet; wär's auch noch so schwer.
Wo man trauert, weinet sie,
Leichtert gern des Lebens Müh,
Schaffte gern, wenn's möglich wär,
Einen Himmel um sich her.
Darum, wenn ihrs wissen wollt,
Darum ist man ihr so hold,
Führte gern auf Rosen sie
Durch dies Leben, ohne Müh.
aus: Gedichte von Karoline Christiane Louise Rudolphi
Herausgegeben und mit einigen Melodien begleitet
von Johann Friedrich Reichardt
Berlin 1781