Das 4. Lied Die bereuende Charis

1.
Charis gieng in tieffen Sinn/
Weil Sie so betrübet war/
Nach den kühlen Schatten hin/
Es so wol schon übers Jahr/
(Sang Sie) hab ich recht gezehlt/
Daß die Liebe mich gequält
Und bey nahe gantz entseelt.

2.
Mein so frommes Lämmer-Vieh
War vorweilen meine Lust/
Wenn ichs molcke spat und früh/
Jtzund ist mir meine Brust
Auffgeheitzt von frembder Gluth/
Doch/ mein stoltzer Ubermuth
Ist es/ ist es/ der es thut.

3.
Jtzund denck ich erst daran/
Wie mir offters Filidor
Seine Gunst gebothen an/
Wie er mich geliebt zuvor/
Wie er stündlich Weh und Ach
Und unzehlich Ungemach
Umb mich trüge tausend fach.

4.
Keine Buche weit und breit
Wird herumb zu finden seyn/
Da er seine Traurigkeit
Doppelt nicht geschnitten ein.
Keinen Tag und keine Nacht
Hat er nie zu ende bracht/
Da er meiner nicht gedacht.

5.
Dieser steigre Felsen-Stein/
Den der geüle Bock besteigt/
Wird sein Zeuge müssen seyn/
Wie sein Hertze mir geneigt.
O wie unterschiedlich mahl
Sang er Wiesen/ Busch und Thal
Für/ die grosse Leibes-Qual.

6.
O wie manche kühle Nacht/
Ließ der Himmel seinen Schweiß/
Hat er mir das Vieh bewacht.
Wurd es umb den Mittag heiß/
Nahm er seine Flöte für/
Sang von brünstiger Begier
In den Wäldern dar und hier.

7.
Dennoch kunt' er meine Gunst
Nicht erlangen/ ja der Schmertz
Und die grosse Liebes-Brunst
War nur meine Lust und Schertz/
Wenn er mir der Liebe Macht
Gantz erbärmlich fürgebracht/
Hab ich ihn nur ausgelacht.

8.
Vielmal ist er umbgekehrt/
Wenn er mir getrieben nach/
Daß er nicht mit angehört
Mein Gehöhne/ seine Schmach:
Er wär für mich viel zu schlecht/
Ein geringer Bauer-Knecht/
Damon wär mir besser recht.

9.
Damon/ unsrer Hirten ihr
Ungetreustes Schäffer-Kind/
Der mit seiner Liebe mir
Mein Gemüthe hat entzündt.
Mein Gemüthe/ meinen Sinn
Setzt ich nur auff Damon hin/
Damon ware mein Gewinn.

10.
Anfangs gab er gute Wort/
Hiese mich nur seine Braut/
Jtzund ist er wieder fort/
Weil ich ihm zuviel getraut.
Und was ich noch hören muß/
Mein ihm offt gegebner Kuß
Wär ein Eckel und Verdruß.

11.
Daß er mich an sich getrückt/
Hätt' er nur darumb gethan/
Daß ich würde rumbgerückt;
Wie so einen falschen Wahn
Schöpfft ich doch von seiner Gunst;
Falsche Liebe/ falsche Brunst
Wär die beste Liebes-Kunst.

12.
Wer nicht lüstig schmeicheln kan
Wär im Lieben noch ein Kind;
Liebe suchte seinen Mann/
Liebe were taub und blind/
Auch im Griffe nicht gewiß/
Wählte jenes/ das und diß
Sonder einig Hinterniß.

13.
Uber das noch hat er mich
In ein böß Geschrey gebracht/
Weil er viel von mir und sich/
Mich zu schimpffen/ ausgedacht/
Denn er noch hinzugesetzt/
Daß ich ihn so wol ergetzt/
Daß ich Scham und Zucht verletzt.

14.
Meine Liebe hieß er geül/
Frech/ die Teutsche Redligkeit/
Meine Brüste trüg ich feil/
Weil ich sie entblöst zu weit;
Meine Wangen/ so doch bleich/
Kämen zwar an Röthe reich/
Doch den Farben gar zugleich.

15.
Meinen Mund/ benebenst mich
Hätt' ich nur darzu gewöhnt
Durch die Ubung/ daß er sich
Nur nach geülen Küssen sehnt.
Wo man mit den Augen blickt/
Mund und Mund zusammen trückt/
Wär ich trefflich wol geschickt.

16.
Löffeln könt ich ziemlich gut/
Ja/ er wiste manchen Platz/
Da er mit mir ausgeruht.
Ich wär eines ieden Schatz.
Ich käm ziemlich überein
Mit der Sonne/ dessen Schein
Jedem müste freundlich seyn.

17.
Ohne was er hier und dar
Sonsten schimpfflich sich berühmt/
Da mehr nicht/ als dieses wahr/
Daß/ so viel sich hat geziemt/
Ich den Damon zwar geliebt/
Der mir nun zu Lohne giebt/
Daß ich so muß seyn betrünt.

18.
Aber/ liebster Filidor/
Hab ich dir Gewalt gethan
Da du mich geliebt zuvor/
Nimm doch deine Charis an/
Charis/ die dich hat veracht/
Zwar aus böser Vorbedacht/
Ich bin nun in deiner Macht.

Collection: 
1660

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