Aus: Eliland

  Ein Sang vom Chiemsee
Reicher Fund
Es saß der Abt beim Morgenmahl
Mit seinen Heilsgenossen,
Da ward im stillen Klostersaal
Der eiserne Schrein erschlossen.

Und in dem Schreine lag ein Buch,
Permentene Blätter, sieben;
Die waren voll Wald- und Erdgeruch
Und tot war, der sie geschrieben.

Es starrt der Abt die Blätter an,
Es lauschten die Alten und Jungen,
Bis er zu lesen laut begann,
Das Antlitz glutdurchdrungen.

Und auf dem ersten Blatt da stand:
(Ein Zeiger vor dem Pfade)
"Dies hat gesungen Eliland,
Der Mönch, dem Gott genade."

(Hie heben an die Lieder Elilands)
 1. Stilles Leid
Eine stille Zelle
An blauer Welle,
Das ist mein Leid.
Wohlan, ich trag' es -
Aber ich klag' es
Doch allezeit!

Ich hab' mein Leben
An Gott gegeben
Und das ist sein.
Das wend' ich nimmer. - -
Doch denk' ich immer:
O, wär' es mein!
2. Frauenwörth
Das war ein Tag voll Maienwind,
Da ist auf blauen Wogen
Zu Nonnenwörth ein Grafenkind
Gar lenzhold eingezogen.

Die war geheißen Irmingard;
Ich sah es, wie der Bangen
Kränzlein und Schleier eigen ward …
Die Nonnen alle sangen.

Ihr aber fielen die Tränen drauf,
Die barg ich lang im Sinne;
Nun gingen sie mir im Herzen auf
Als Knospen süßer Minne.
3. Rosenzweige
Wohl manchen Rosenzweig brach ich vom Pfade
Am grünen Strand,
Es trug der Wind ihn fort an ihr Gestade,
Bis sie ihn fand.

Sie flocht den Kranz sich draus zum Kirchengange. -
O holde Not!
Von meinen Rosen ward ihr Stirn und Wange
So heiß und rot!
4. Heimliche Grüße
O Irmingard, wie schön bist du,
Holdseliger ist keine;
Bei grünen Linden wandelst du
Im luftigen Sonnenscheine!

O Irmingard, wie silbern klingt
Dein Sang zu uns herüber;
Wie fliegen meine Grüße beschwingt
In euer Gärtlein hinüber!

Wie zage Vöglein bergen sie sich
Im tiefen Gezweig der Linden,
Doch wenn du wandelst und denkst an mich,
Magst du sie drinnen finden!
5. Am Strande
Mein Liebling ist ein Lindenbaum,
Der steht am Strand;
Es spielen die Wogen mit leisem Schaum
Um den weißen Sand.

Und der Lindenduft, der zieht mir hinein
Bis ins tiefste Gemüt -
Halt still, mein Herze, und gib dich drein -
Du hast geblüht!
- - - - - - - - - - - - - -
6. Kinderstimmen
Mit unsern Fischern war ein Kind gekommen
Von Frauenwörth.
Das hab' ich spielend auf mein Knie genommen
Und frug betört:

"Wer ist die lieblichste der frommen Frauen,
Die du gewahrt?"
Da schlug es auf den vollen Blick, den blauen:
"Frau Irmingard!" - -
7. Mondnacht
Ich lieg' an meines Lagers End'
Und lug' in stille Sterne;
Die blaue Woge, die uns trennt,
Wie rauscht sie leis und ferne!

Verschleiert schaut der Mond herein,
Mein Herz hält stille Feier; - -
Wie sind so bleich die Wangen dein,
Wie ist so dicht dein Schleier!
8. Wanderträume
O, der Alpen blanke Kette,
Wie sie glänzt im Morgenblau! -
Daß ich dort mein Wandern hätte,
Wenn im Wald noch liegt der Tau,

Langgelockt und freigelassen,
Wie ich's einst gewesen bin, -
Scharfe Pfeile möcht' ich fassen;
Singend zög' ich dort dahin,

Wo am tiefsten niederhinge
Das Gezweig auf meine Fahrt -
Und an meiner Seite ginge
Schleierlos – Frau Irmingard!
  9. Anathema!
Nun ist wohl Sanges Ende!
Wie hart ich davon schied',
Die Wintersunnenwende
Ist kommen für mein Lied!

Es rief der Abt mit Zürnen
Mich in die Zelle sein
Und sprach: "Dein Herz sei hürnen
Und deine Gedanken rein!

Was heimlich du geschrieben,
Mir ward es offenbart;
Fluch über dein sündig Lieben,
Fluch über Frau Irmingard!

Doch eh' der Tag zerfallen,
Das schwör' mir zu Gesicht:
Sei von den Liedern allen
Nicht eines mehr am Licht!"
10. Ergebung
Gehorchen ist das erste!
Ich hab' mich stumm geneigt,
Und ob das Herz mir berste,
Mein Herz gehorcht und schweigt.

Mich hat mein Abt verfluchet, -
Ich war wohl gottverwaist,
Daß Sang mir heimgesuchet
So süß den stillen Geist!

Viel' letzte Grüße sag' ich
Nun dir, Frau Irmingard!
Euch Lieder aber trag' ich
Zum Dickicht in stiller Fahrt.

Dort will ich in Waldgrund legen
Sie unter eisernem Schrein
Und ihre Hüter mögen
Waldvöglein, die lieben, sein!

Und mag sie je ergründen
Ein Pilger auf seinem Pfad,
So bin ich ohne Sünden, -
Ein Mönch, dem Gott genad'.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
(Hie enden sich die Lieder Elilands)

Ausfahrt
Es hat der Abt mit Staunen
Gelesen das letzte Wort.
Vor der Eichenkanzel, der braunen,
Steh'n horchend die Brüder dort.

Ihr lauschender Kreis ward enger,
Und auf den Augen blau
Der jungen stürmischen Dränger
Lag seliger, herber Tau.

Auch ihrer viel sind inne
Geworden einst wilder Fahrt
Und dachten eigener Minne
Bei holder Frau Irmingard.

Der Abt indes sprach leise:
"Gott lohn' ihm seine Schuld!
Der war nicht Gottes Waise,
Der stand in Gottes Huld!

Von seinen Liedern allen
Wie glüht mein Angesicht!
Doch – 'eh' der Tag zerfallen,
Sei keines mehr am Licht!'

So rief der Abt, der seine,
Eh'dem, - ich ruf' es neu!
Denn was gebot der eine,
Das hält der andre treu!

Fürwahr, der Fund von Eisen,
Das war ein goldner Griff!
Nun laßt uns Gehorsam weisen:
Auf – rüstet mir mein Schiff!"

Neugeborgen
Und in die blauen Wellen
Fährt weit hinaus der Abt;
Flink rudern die Gesellen,
Wenn kühler Ost sie labt.

Er hält ein Buch in Handen,
Beschwert mit schwerem Stein
Und weit von grünen Landen
Senkt er's zu tiefst hinein,

Mit einem letzten Gruße
Von Augen, Mund und Hand:
"Leb' wohl – mit harter Buße,
Leb' wohl – mein Eliland!

Du pflegtest süßen Sanges,
Ich walte herber Pflicht, -
Fürwahr, so schweren Ganges
Gedenk' ich ewig nicht!"

Junges Wandern
Schier tausend Jahre gingen
Seitdem ins Land hinein,
Doch Minne, ach, und Singen
Schafft heut' noch süße Pein.

Und heut' noch, in Maienwinden
Blaut Flut und Wald und Hain
Und tief im Grün der Linden
Spielt nachts der Vollmondschein.

Das ist die rechte Stunde,
Hier unter dem Lindendach! -
Da rauscht es tief im Grunde,
Dein Leid wird wieder wach:

Die Wellen kommen gezogen
So wunderleis und lang;
Das sind nicht rauschende Wogen,
Das klingt wie süßer Gesang!

Das klingt wie ferne Grüße.
Voll Kühle – und doch voll Glut,
Als hätt' deines Liedes Süße
Durchdrungen all' die Flut!

Denn keine Macht auf Erden
Tilgt echten Sang dahin;
Bergwald und Woge werden
Sein Mund – und singen ihn!

Collection: 
1908

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