Abendphantasie

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sizt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.

Wohl kehren izt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts
Geschäft’ger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh’ und Ruh’
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühen die Rosen und ruhig scheint
Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich,
Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb’ und Leid! –
Doch, wie verscheucht von thöriger Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wirds und einsam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.

 Hölderlin.

Collection: 
1800

More from Poet

  • „Warum huldigest du, heiliger Sokrates,
         Diesem Jünglinge stets? kennest du Grössers nicht,
              Warum siehet mit Liebe,
                   Wie auf Götter, dein Aug’ auf ihn?“

    Wer das tiefste gedacht, liebt das lebendigste,
         Hohe Tugend versteht,...

  • Hochauf strebte mein Geist, aber die Liebe zog
    Bald ihn nieder; Das Leid beugt ihn gewaltiger;
         So durchlauf’ ich des Lebens
              Bogen und kehre, woher ich kam.

  • Deine Freundinn, Natur! leidet und schläft und du,
    Allbelebende, säumst? ach! und ihr heilt sie nicht,
         Mächt’ge Lüfte des Aethers,
              Nicht ihr Quellen des Sonnenlichts?
     
    Alle Blumen der Erd’, alle die fröhlichen,
    Schönen Früchte des Hains...

  • Mit gelben Birnen hänget
    Und voll mit wilden Rosen
    Das Land in den See,
    Ihr holden Schwäne,
    Und trunken von Küssen
    Tunkt ihr das Haupt
    Ins heilignüchterne Wasser.

    Weh mir, wo nehm ich, wenn
    Es Winter ist, die Blumen, und wo
    Den...

  • Hätt’ ich dich im Schatten der Platanen,
    Wo durch Blumen der Cephissus rann,
    Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,
    Wo die Herzen Sokrates gewann,
    Wo Aspasia durch Myrthen wallte,
    Wo der brüderlichen Freunde Ruf
    Aus der lärmenden Agora schallte,
    ...