96.
Wie wohl ist mir, bei jedem Brief zu weilen,
Den du, getrennt von mir, an mich gesendet;
Wie süße Bilder werden mir gespendet
In jedem Worte dieser theuren Zeilen!
"Die Zeit," schreibst du, "scheint mir zu sehr zu eilen,
Wenn bei der Arbeit, die mein Fleiß vollendet,
Mein Blick auf deine Briefe sich gewendet,
Auf Angedenken, die mein Sehnen theilen.
Wenn Freundinnen mich zum Spaziergang rufen,
Wie fühl' ich dann mich erst allein gelassen,
Wenn jener Sitz am Fenster mir entschwunden!
Wohl kann's von jenen auch nicht eine fassen,
Was mir für Balsam meine Thränen schufen;
Ein Herz wie deins, hat keine ja gefunden."