Kennst du die Macht - die wunderbare Kraft,
Ein inn'res Sonnenlicht, das unser All belebt
Und seit Äonen schon den Gottgedanken schafft -
Empor aus niedern Trieben, höher, reiner strebt?
Chaotisch wirbeln, - unbeseelt
Im weiten Weltenraume
Die zahllos stofflichen Atome
Noch unberührt vom Lebenstraume,
Bis sie der Liebe Gotteshauch
Im lichten Weltendome
Durchdringt, zu neuem Leben auch
Gestaltend sie zur Harmonie,
Die uns den Himmel erst verlieh.
Dann strebt mit göttlicher Gewalt
Im unbewußten Element
Der Liebe zauberischer Keim
Zu immer edlerer Gestalt,
In der ein heilig Feuer brennt
Allmächtig zu der Quelle heim,
Es wallt empor! es strebt hinauf!
Aus jedem dunklen Drang und Triebe
Empor, empor im Siegeslauf
Zum höchsten Ideal der Liebe!
Zu ihrem Tempel komm! lass' hin uns ziehn!
So lang in Liebe noch das Herz im Busen schlägt.
O komm, o komm! lass' uns vor ihrem Altar knien,
Bis sie die Seele einst in lichte Welten trägt!
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888