Der edle Schäffer Coridon
Einsmals in trawren tieff/
Dacht an sein liebste Filli schon/
Daß er darübr entschlieff.
Und als er eingeschlaffen kaum/
Sein Augen zugeschlossen/
Da macht jhm durch ein süssen Traum
Amor ein Liebespossen.
Als ob die schöne Filli kehm/
Gantz leise zu jhm gieng/
Ihn freundlich in jhr Armlein nehm/
Zu küssen auch anfieng/
Davon er gantz voll Frewden ward:
Wie sol ich dz verstehen/
Sprach er/ mein liebste Filli zart/
Daß mirs so wol thut gehen?
Abr solche Frewde wert nicht lang/
Damit er wurd bethört/
Als er gemacht kaum den Anfang/
Sie/ leider/ wiedr auffhört/
Amor mit seinem Flügelein
Ein gros geräusche machte/
Daß Coridon vom Schlaffe sein/
Durch solches wiedr erwachte.
Ach sprach der gute Coridon
Schaffstu mir solche Frewd/
O Allerliebste Filli schon/
Wenn ich Schlaff von dir weit!
Was würd den dein lieb Mündelein
Für grosse frewd mir machen/
Wenn ich bey dir/
O Liebelein selbst schlaffen solt und wachen?
Aus: Musica boscareccia.
Wald Liederlein Auff Italian-Villanellische Invention
Beydes für sich allein mit lebendiger Stim
oder in ein Clavicimbel etc.
von Johann Hermann Schein
Leipzig 1621
[ohne Seitennumerierung]