Streik

Zwischen kahlen Mauern ringt im Bette
Eine Mutter mit den Sorgenstunden,
Wartet fiebernd auf des Sohnes Taler,
Auf die blanken, die er hart erschunden.

„Sterben, o wie selig! Aber leben,
Leben muß ich für den einz’gen Jungen,
Für den guten, der so oft des Abends
Meiner Not ein Hoffnungslied gesungen.“

Draußen schwillt die Straße von dem Rauschen
Vieler Tritte. Dumpfe Männerstimmen
Hört sie schwirren zwischen engen Gassen
Und zu ihrem Fenster aufwärtsklimmen.

Schwer und zornig schreitet’s auf der Stiege,
Auf dem Gang, da tritt er in die Kammer:
„Keine Taler, Mutter, keine Freude,
Aber Hunger, Finsternis und Jammer!

Streik! wir streiken auf der ganzen Rhede!“
Weinend sinkt sie, von des Sohnes Armen
Fest umwunden, in zerwühlte Kissen:
„O mein Sohn, nun soll sich Gott erbarmen!

Aber ich will fluchen deinen Freunden,
Die der Frauen Leiden nie gelitten!“
Und nun quält sie seine trotzige Seele
Mit den mütterlichsten Liebesbitten,

Bis er geht. Er sieht die Kampfgenossen
Finster stehn und lauern. Sieht die andern
Schüchtern unterm Schutz von hundert Helmen,
Als Verfehmte auf die Arbeit wandern.

„Mutter, kehrt er wieder, deine Tränen
Können meine heiße Glut nicht dämpfen!
Keinen Bissen will ich fürder essen,
Doch mit meinen Brüdern laß mich kämpfen!

Für die tausend Brüder laß uns leiden,
Die noch kommen. Kämpfen, leiden, hoffen!
Bis der letzte Pfeil vom Sorgenbogen
Einer Mutter duldend Herz getroffen!“

Sieh! die kaltgehärmten Hungeraugen
Fühlt er da in rascher Glut erwarmen:
„Kämpfe für die Brüder! mich laß friedlich
Sterben hier in deinen Kindesarmen!“

Collection: 
1922

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