• Dein Namensfest erscheint. Wie sollt ich mich nicht freuen?
    Hier ist ein treues Blatt, das meine Hand Dir giebt.
    Dir, Werther! Den mein Herz so rein, so zärtlich liebt,
    Dir muß ich wahrlich heut den ersten Weihrauch streuen.

    Der Himmel schenke Dir ein unverletzt Gedeihen!
    Er wende allen Gram, der Deinen Geist...

  • Was dieses Rund umfasst / was man kann irrdisch nennen /
    Das muß auch mit der Zeit die Flüchtigkeit erkennen /
    Und eilt dem Ende zu: die Tugend selbst hört auff /
    Wenn nun der letzte Tag hemmt aller Tage Lauff.
    Die Liebe aber wird zu keiner Endschafft kommen /
    Und wie sie vor der Welt den Anfang hat genommen /
    So...

  •  
    NUR eine bleibet meine Taube,
    Und diese, werthes Kind, bist du;
    Die Welt hat nichts von süßrem Schmerze,
    Als wenn ich dir, vertrautes Herze,
    Die Armen um den Nacken thu
    Und dort zwey Handvoll Blumen raube.

    So wie uns oft nach warmen Regen...

  •  
    SCHICKE dich, geliebtes Kind,
    In die unruhvollen Zeiten;
    Dann und wann kan Sturm und Wind
    Unverhoft in Hafen leiten.
    Nun ist wohl niemand beßer dran,
    Als wer getreu und klug und ewig lieben kan.
    (S. 40)...

  •  
    VERSÖHN ich dich mit keinem Kuße,
    So brich mir nur das Herz entzwey.
    Ich wasche deinen Fuß mit Thränen,
    Vergieb und höre dies mein Sehnen;
    Erkennen ist die beste Reu
    Und nicht mehr thun die beste Buße.

    Du bist die Fürstin unsrer Schönen,...

  • DEINE Schönheit, kluges Herze,
    Ist kein schlecht und flüchtig Gut,
    Das uns mit verbothnem Scherze
    Zu den Sünden Vorschub thut,
    Wenn sich unsrer Lüste Kraft
    An geschminckter Haut vergaft.

    Da ich dich recht kennen lerne,
    Klag ich meine Thorheit an,
    Die bey manchem Unglückssterne...

  •     DIE Pest ergrif den Leib der schönen Flavia,
    Der Mund warf Jäscht und Schaum, die Brust geschwollne Beulen,
    Die Augen wurden welck, und niemand war mehr da,
    Und niemand konte sie mit Kraut und Pflaster heilen.

    Ihr treuer Thyrsis kam und warf den treuen Arm...

  •  
    ETWAS lieben und entbehren
    Ist ein Schmerz, der heimlich quält;
    Wenn die Blicke Zungen wären,
    Hätten sie dir längst erzehlt,
    Was dein Wesen, kluges Kind,
    Über mich vor Macht gewinnt.

    Dencke, wie es martern müße,
    Wenn ein müder...

  •   HAB ich mich einmahl vergangen,
    Mach ich es doch wieder gut,
    Da mein stumm und still Verlangen
    Deiner Schönheit Opfer thut,
    Deiner Schönheit am Verstande,
    Die sich auch durch Mienen zeigt,
    Und die ungewohnten Bande
    Machen, daß mein Herze schweigt....

  •  
    ICH habe genug.
    Lust, Flammen und Küße
    Sind giftig und süße
    Und machen nicht klug.
    Komm, seelige Freyheit und dämpfe den Brand,
    Der meinem Gemüthe die Weißheit entwand.

    Was hab ich gethan!
    Jezt seh ich die Triebe
    Der...