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     LXXXIV.
    Lilie hat der Zungen Zehne;
         Doch es schlägt die Nachtigall,
    Und da schweigt sie vor Entzücken
         Und zum Dufte wird ihr Schall.

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                        Lilie und Rose.

         Lilie der Unschuld, und der Liebe Rose,
    Wie zwo schöne Schwestern, steht ihr bei einander:
    Aber wie verschieden!

         Du der Unschuld Blume, bist dir selbst die Krone:
    5 Ohne Schmuck der Blätter, auf dem nackten Zweige,
    Schützest du dich selber.

         Du von Amors Blute tief durchdrungne Rose...

  • Sieh, diese Lilie bring ich dir,
    und keiner Rose heiße Glut,
    nein, dieser Lilie weiße Glut
    und meine Liebe bring ich dir.

    Sieh in den keuschen Kelch hinein
    und weide dich an seinem Glanz,
    an seinem Glanz und deinem Glanz:
    kein Spiegelbild kann treuer sein.

    Und sieh...

  • Die Lilie spricht - und jedes Wort
    Trägt das beschwingte Lüftchen fort -
    Zum Schmetterling, der, bunt geschmückt,
    Nach ihr mit Liebesaugen blickt:

    Du bist von hohem Rang und Stand,
    Der Blumen allen wohlbekannt
    In deinem goldgesäumten Kleid,
    Doch - freut dich auch die Einsamkeit?...

  • Eine Lilie nickt von meinem Tisch,
    beugt die blätterschweren hohen Stengel
    über mein Papier -.
    Geh' mit deinen vorgestreckten Zungen!
    Nein, doch! Bleib' nur, frecher Bengel -
    Du wirst wissen, wen ich angesungen:
    bist ja selbst von ihr. (S. 27)...