Scheiden

Stille Luft läßt wunderklar
Alle Fernen sehen,
Schöner als es jemals war,
Will das Land erstehen.

Hörbar ist der fernste Laut,
Alle Winde schweigen,
Weit Getrenntes will sich traut
Zu einander neigen.

Wo die Sonne ging zu Thal,
Schwarze Wolken hangen,
Fernhin zuckt ein Blitzestrahl -
Rings Gewitterbangen.

Also sind, wie nie, wir warm
Herz an Herz gedrungen,
Halten uns in stillem Harm
Schweigend lang umschlungen.

Und jedweder Seelenlast
Einigt sich uns Beiden
Süß und bang und schmerzlich traut -
Denn wir müssen scheiden.

Nimmer werd' ich, holdgesinnt,
So dich wiedersehen,
Nimmer wirst du, Elfenkind,
Dieses Herz verstehen,

Wenn sein ungestümer Schlag
Nicht mehr dir erzählet,
Was es selber leiden mag,
Wenn es Andr're quälet.

Wie ins Haar ein Röselein,
Das du hier gefunden,
Flichst Erinnerung du ein
An verfloss'ne Stunden.

Doch in meinem schweren Sinn
Wird sie Wurzel schlagen,
Und ich werd' durchs Leben hin
Dein Gedenken tragen.

Collection: 
1891

More from Poet

  • Warum du vermagst, mich zu zügeln
    Mit leichter, muthwilliger Hand,
    Warum deinen gaukelnden Flügeln
    Mein träumender Sinn sich verband,

    Und wie mir durch dich ist geschehen,
    Und was uns're Herzen verflicht -
    Ach!...

  • Stille Luft läßt wunderklar
    Alle Fernen sehen,
    Schöner als es jemals war,
    Will das Land erstehen.

    Hörbar ist der fernste Laut,
    Alle Winde schweigen,
    Weit Getrenntes will sich traut
    Zu einander neigen....

  •  
    O wende nicht dich ab von mir
    Mit Augen thränenschwer!
    Zog schöne Freude mich zu dir,
    So thut's das Leid noch mehr.

    Nicht frag' ich, was die süße Lust,
    Der Stimme Klang dir nimmt:
    Es ist die...

  • Gramvoll, tief verdüsterten Herzens wandl' ich
    Trauernd hin; es blüht mir umsonst die Erde,
    Die sich jüngst als Grab über Theures, ach! für
    Immer geschlossen.

    Ein Empfinden bleib mir zurück, nur eines:
    Daß du spurlos gingst,...

  • Gleich einer Jungfrau, die, den Nonnenschleier
    Erwartend, sich von allem Schmuck befreit,
    Ihr langes Haar hinopfert vor der Feier
    Und doch in wehmuthvoller Lieblichkeit
    So schön bleibt wie zuvor – so liegt vom Schauer
    Des...