Nachruf

Gramvoll, tief verdüsterten Herzens wandl' ich
Trauernd hin; es blüht mir umsonst die Erde,
Die sich jüngst als Grab über Theures, ach! für
Immer geschlossen.

Ein Empfinden bleib mir zurück, nur eines:
Daß du spurlos gingst, daß die Flamme jählings
Dich dem Sein entriß, daß ich nie mehr, nie mehr
Nie mehr dich sehe!

Ach! nicht Worte spiegeln von dir, nicht Thaten
Wieder, was dein Eigenstes war! kein Sommer,
Reich an Frucht, ein ewiger Frühling warst du,
Ewig verloren!

Leise wiegt belebender Hauch des Morgens
Rings um mich die blühenden Fliedersträucher;
Und mir ist, als schwebtest du aus den Büschen
Hold mir entgegen.

Lächelnd nahst du, Blumen in deinen Händen,
Wie ich einst auf Bergen dich sah; dann fassest
Du mein Haupt und richtest es auf und blickst mir
Ernst in die Augen.

"Also denkst du," sprichst du mit sanftem Vorwurf,
"Meiner Wünsche, wie ich für dich sie hegte?
Freude, sagst du, gab ich dir einst! ich will sie
Immer dir geben.

Nicht in dumpfer Trauer gedenke meiner!
Wie! daß, ungebeugt von der Last des Alters
Noch das Haupt, ich schwand aus des Lebens Mitte,
Willst du beklagen?!

Nachempfunden, was ich gelitten willst du?
Klagt' ich denn? und hab' ich nicht überwunden?
Nicht so klein gedenke des Sinns, der endlich
Frieden gefunden!

Was da blüht, es künde dir meine Liebe
Immer neu, so lange du lebst! denn siehe,
Liebesgrüße sendend an dich, im Frühling
Bin ich geschieden!"

Mich ermahnend, blick' ich empor; der Flieder
Rauscht nur leise rings um mich her und schmerzlich
Fühl' ich mich allein – ach! dem Geist nur warst du
Mahnend erschienen.

Doch ein Lichtstrahl bleibt mir zurück: erstarken
Soll durch dich die leidende Seele! anders
Soll mein Herz dein theures Gedächtniß künftig,
Würdiger feiern!

Wenn der Freude wieder mein Sinn sich aufschließt,
Mögen deine Züge aus ihr mir lächeln!
Deine Stimme klinge aus jedem holden
Ton mir entgegen!

Was da schön ist, rufe mir vor das Auge
Deines Wesens königlich freie Anmuth,
Daß durchs Leben wandelnd ich immer, immer,
Immer dich schaue!

Collection: 
1891

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