Preussen

Heil, mein Preußen, dir, Heil! Dich begrüß’ ich mit freudigem Stolze,
     Stolz des Volkes, das stolz freudig den König begrüßt.
Denn ein Jeglicher fühlt: sein ist der König, und Er fühlt:
     Er ist des Volkes, und sein, frei und gebildet, das Volk,
Treu bis zum Tod – er erfuhr’s – und nicht mit der Treue des Hundes,
     Welcher, geschlagen, den Herrn schmeichelnd umwedelt und leckt.
Treu ist das Volk, weil’s weiß, sein ist der König und treu ihm,
     Liebet ihn, weil er es liebt, ehret ihn, weil er es ehrt.
Als jüngst rings Aufruhr, das entsetzliche Scheusal, die Grenze
     Wild umtobte, da stand er an der offenen still,
Wie durch Zauber gebannt – Was war der Zauber? Was bannt’ ihn?
     War es der Waffen Gewalt, welche der Frevel gescheut?
Bürger ja zählt nur das Heer – das Volk, es zählt ja nur Krieger –
     Nicht an inneren Krieg denkt, wer sich also bewehrt.
Preußens König bewehrte sich so – Er, reines Gewissens,
     Welches in eigener Brust edles Vertrauen erweckt,
Welches Vertrauen erzeugt in der Brust klar blickender Völker,
     Und mit dem innigsten Band Fürsten und Bürger vereint.
Solches Vertrauen erblickt’, an die Grenz’ anstürmend, der Aufruhr,
     Lieb’ und Treu’ – und er wich feig und verzagend zurück.
Denn wo fest Eintracht mit dem Volke den Herrscher verbindet,
     Füllen sie Beide mit Furcht innern und äußeren Feind,
Wandeln vereint vorwärts in Entwicklung, Gesetz und Gesinnung,
     Wie nach allmächtigem Schluß wandelt die strebende Zeit,
Die der Zerstörung Kraft nicht übt an dem Staat, der mit ihr wallt,
     Die, selbst ewiglich jung, stets den Begleiter verjüngt.
Nirgend ist Stillstand da, noch weniger schmählicher Rückgang,
     Welcher zum Kirchhof führt, wo das Vergangne verwes’t –
So durch die Zeit verjüngt und erstarkt, von kleinem Beginne,
     Hob sich Borussia’s Macht herrlich und glänzend empor.
Vorwärts! rief nach Zerstörung und Graus der gewaltige Kurfürst,
     Und im Innern erstand stark und nach außen der Staat.
Vorwärts! riefen die Könige dann – und der einzige Friedrich
     Rief nicht, er riß vorwärts mit sich das jauchzende Volk.
Doch es entschlummert sich süß und behaglich im Schatten des Ruhmes,
     Und schnell brach Unheil über die Schlummernden ein.
Was die Weisheit und Kraft gebaut und gesammelt, in Trümmer
     Stürzt’ es, als Denkmal nur stand die Ruine noch da.
Muth nicht gnügte, noch Recht, den Bau zu erneuen – die Kraft nur,
     Welche die strebende Zeit ihren Begleitern verleiht.
Doch da erscholl’s: Vorwärts! Vorwärts! vom heiligen Throne,
     Der das Gebäude gestützt, daß es nicht gänzlich versank.
Und im Innern erwacht’ ein lebendiges fröhliches Leben,
     Kindliches heitres Vertrau’n, Muth und Gesinnung und Licht.
Was die entschwundene Zeit an drückenden Fesseln geschmiedet,
     Streifte – der König gebot’s – rasch von den Gliedern das Volk,
Und bewegte sich, frei im Gesetz, mit gemessener Ordnung;
     Rüstig vom Herrscher geführt, folgt’ es mit rüstigem Schritt,
Und erreichte die Zeit, die während des Schlummerns enteilt war,
     Und in den mächtigen Arm nahm sie die Strebenden auf.
Sieh, da erstarkte der König im Volke, das Volk in dem König,
     Alles im Staate ward Kraft, Alles Bestrebung und Geist,
Welcher mit Macht antrieb Hoffarth zu zücht’gen und Unbill;
     Glühend in Ungeduld, harrte des Rufes das Volk.
Und er erscholl vom Thron – Wie beim künstlichen Feuerwerke
     Erst das ernste Gerüst stumm sich und dunkel erhebt,
Dann, wenn der Meister zur richtigen Zeit, am geeigneten Orte,
     Klug, vorsichtig und still sich mit dem Zünder genaht –
Prasselnd zuckt dann empor der Blitzesstreif, und es zucken
     Andere Blitz’ aus ihm, zischen hinunter, hinauf,
Rechts und links und grad’ und schräg, in jeglicher Richtung,
     Bis vollendet in Gluth herrlich der Tempel erglänzt –
Also Borussia’s Macht, als der Ruf des Königs erschollen;
     Mächtig durch jegliche Brust zuckte lebendige Gluth.
Jeder vergaß sein selbst, darbringend Güter und Leben,
     Als ihm eigen erkannt ward nur von Jedem der Staat.
Alles besondre Besitzthum schwand – und, plötzlich verwandelt,
     Zeigte das kleine Volk sich als gewaltiges Heer.
Sich den verwegenen Feldmarschall, wie er stürmend vorauseilt!
     Laut: Vorwärts! Vorwärts! ruft er den jubelnden Zug.
Alle stürmen ihm nach, unaufhaltsam – Niedergeschmettert
     Werden die Feind’ und es hemmt Strom nicht noch Veste den Lauf,
Bis der Titan hinkracht, der Gewaltige, welcher in Schlummer
     Jüngst dich, mein Preußen, gelullt und dich dann schmählich gestürzt. –
Herrlich getilgt ist die Schmach; der Sieg erringt dir den Frieden,
     Schenket nach außen dir Macht mehr als du fallend verlorst.
Ruhm ausstrahlend und Pracht auf Germaniens ferneste Gauen,
     Steiget das edle Gebäu schützend und drohend empor.
Doch die Gewähr der Macht, nicht verleiht sie die Höh’ und die Weite,
     Sie verleiht nur der Geist, der dir im Innern erwacht,
Welcher Herrscher und Volk einträchtig beseelt, und sie vorwärts
     Zieht, daß die strebende Zeit nie dir von Neuem enteilt:
Vorwärts, nicht wie im Kriege das stürmende Reitergeschwader,
     Vorwärts, rüstiges Schritts, wie ihn die Zeit dir gebeut,
Wie die Natur ihn dich lehrt, die, allmächtig entwickelnd, die Fichte
     Tiefer wurzelnd im Grund, höher zum Himmel erhebt;
Welche verdorrtes Gezweig abstreift, nicht gewaltsam – es aufgiebt
     Und mit belebendem Saft nur das ergrünende nährt –
Nimmer entschlummerst du fürder behaglich im Schatten des Ruhmes,
     Reg aufstrebend und wach, immer erneuernd die Kraft.
So wird nach außen der Ruhm, nach innen das herrlichste Glück dein,
     Nicht wie der Thor es erträumt, wie es der Weise sich hofft,
Welcher im Geist es erkennt: „Das Leben – ein Streben nur ist es,
     Vom Vollkommenen trennt uns unermeßlicher Raum;
Unheil aber und Tod nahn da, wo das Streben ermattet,
     Wo der lebendige Quell träg sich im Sumpfe verliert.“
Dann, in welcherlei Form du frei dich bewegest im Lichte,
     Gnüge das Wesen dir stets: Freiheit, Bewegung und Licht.
Ihnen entkeimt Volksglück, und sie entkeimen der Eintracht,
     Dem Vertrauen, das fest Herrscher und Völker vereint.
Wer Argwohn aussät, auf den Höh’n sey’s oder im Thale,
     Argwohn ärnt’ er für sich reichlich zur eigenen Schmach.
Mag wahnsinniger Knaben Gehirn dann Verschwörungen brüten,
     Mag schwachsinnige Furcht träumen von arger Gefahr;
Wie wenn der Hund anbellt des Vollmonds blendenden Schimmer,
     Wird es, mein Preußen, dir seyn, nur zum Gelächter dem Markt.
Darum schreite nun fort auf weislich erkorenem Pfade,
     Und zu dem freudigsten Ziel führt dich die sichere Bahn –
Heil dir, mein Preußen, o Heil! Dein Adler erhebt sich zum Himmel –
     Kühn, ungeblendet vom Licht, ja von dem Schimmer erstarkt,
Schauet sein Auge dahin auf die Fernen des Raums und der Zeiten,
     Und ihn ziehet der Blick höher und höher empor.
Hier erheben die Alpen sich blau, dort schimmert die Ostsee;
     Hier der Niemen und dort strömet der prächtige Rhein.
Oder, Elbe mittinnen und Weser – die irrende Mosel
     Jenseits – den Alpen zu glänzet die Donau hervor.
Ein Volk wohnet dazwischen, doch es hoben sich hemmende Schranken
     Hier und dort, und getheilt sah sich in Völker das Volk,
Fühlte die Kräfte gelähmt, die Vereinigung traurig ersehnend,
     Nicht sie hoffend, und schlaff sanken so Arme wie Geist.
Siehe, da winkte der Aar und die trennenden Schranken, sie fielen –
     Jubelnd in Wonne nun reicht Bruder dem Bruder die Hand.
Jeder empfängt was er braucht, und giebt was er hat, und dem Wechsel
     Gebens und Nehmens entkeimt Reichthum und froher Genuß.
Aemsiger regt sich im Felde die Hand des erheiterten Landmanns
     Und des Winzers im Berg, rascher bei lohnenden Mühn.
Fröhlicher Fleiß erwacht in der lange verödeten Werkstatt,
     Und Wetteifer belebt ihn mit veredelndem Geist.
Schleuniger füllen und leeren sich nun die Speicher des Kaufmanns,
     Der, ein Eroberer, schaut auf das gewonnene Land;
Frachtschiff’ ankern in Häfen entfesselter Ström’, und erfreun sich
     Gleiches Rechtes, wenn auch mancherlei Flagge sie schmückt.
Waarenbelastet begegnen auf länderverbindenden Straßen
     Im weitreichenden Zug Wagen und Wagen sich nun.
Fröhliche Reisende rollen dahin in befreundete Ferne,
     Hier begegnet, dort kreuzt rasch sich die eilende Schaar.
All dies Streben begleitet und führt und verknüpft der Gedanke,
     Welchen dem Westen der Ost sendet, dem Süden der Nord,
Der des Vereins Band webt, unzertrennbar, daß es dem Neide
     Trotzt und mit jeglichem Jahr fester und fester sich schlingt.
Aber der Adler erschaut ein Volk in verschiedenen Staaten,
     Einig nach außen zur Macht, einig nach innen zum Glück,
Und er erfreut sich des herrlichen Werks, das lang nur als Traumbild
     Deutschland innig ersehnt, das er nun endlich vollbracht.
Und auf den Adler schaun Germania’s Völker, nun ein Volk,
     Liebend, vertrauend – er schaut liebend, vertrauend zurück,
Dann in die Ferne hinaus, Zukünftiges forschend, und freudig
     Zeigt sich, so weit er schaut, reger Entwickelung Bild.
Doch am fernesten Saum, wohin Aarblicke nicht tragen,
     Schmilzt das gestaltete Bild endlich in goldenem Glanz.
Doch wie Harfen-Getön umklingen ihn Stimmen von oben,
     Klingen mit deutlichem Laut ihm aus dem Innern zurück:
„Vorwärts streb’ und bewahre die Treue dir selbst und den Andern,
     Alles Uebrige fällt endlich von selber dir zu.“

Collection: 
1834

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