Gottfried Keller

  • VI.
    Wohl ist die Lilie wunderbar,
    Wenn stolz sie sich im Garten wiegt,
    In ihrem Kelche, sonnenklar,
    Langsam der Morgentau versiegt;
    Doch mag ich gehn und wandern,
    So weit nur Lilien stehn,
    Ist keine vor...

  • V.
    Viele Wochen sind entflohn,
    Seit ich Dich gesehen;
    Hab' auch lange Tage schon
    Keine Blum' gesehen!

    Keine Blumen und kein Lieb -
    Ach was soll das werden?
    Was soll aus dem Frühlingstrieb...

  • IV.
    Nun in dieser Frühlingszeit
    Ist mein Herz ein klarer See,
    Drin versank das schwere Leid,
    Draus verdampft das leichtre Weh.

    Spiegelnd mein Gemüte ruht,
    Von der Sonne überhaucht,
    Und mit Lieb'...

  • III.
    Sitzt man mit geschloßnen Augen
    Einsam in dem dunkeln Zimmer,
    Blitzt oft durch die zarten Lider
    Plötzlich roter Kerzenschimmer;
    Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
    Durch die Augendeckel dringen
    Und in...

  • II.
    Durch's Frührot zog das Wolkenschiff
    vor einem hellen Frühlingstag,
    Als ich, ein träumend Schülerkind,
    im morgenstillen Felde lag;
    Ein Falter streifte meine Stirn,
    und vor mir eine Lilie stand;
    Ich...

  • I.
    Ich will spiegeln mich in jenen Tagen,
    Die wie Lindenwipfelwehn entflohn,
    Wo die Silbersaite, angeschlagen,
    Klar, doch bebend, gab den ersten Ton,
    Der mein Leben lang,
    Erst heut noch, widerklang,
    Ob die...

  • Die in den Sternen strahlt, auf Meeren ruht,
    Im Schmetterling von Blum' zu Blume schwebt
    Und heiß aufatmet in des Ätna Glut -

    Die wagend mit dem Aar zur Sonne strebt,
    Die feurig in des Jünglings Adern wallt
    Und sehnend in...

  • XXVII.
    Sieh! kaum glimmt des Stromes Spiegel
    Silbermatt im Dämmerlicht,
    Und schon schlägt die Sammetflügel
    Mir ein Falter ins Gesicht!

    Sieh den Abendstern dort blinken,
    Tief im Süden, schön und hell!...

  •   1. Vor einem Luftschlosse

    Schöne Bürgerin, sieh, der Mai
    Flutet um deine Fenster!
    Alle...

  • XXVI.
    Wie sie sich da drehn im Tanze,
    Puppen aus geschnitztem Holz!
    Eitles Volk im Kerzenglanze,
    Leben heuchelnd, steif und stolz!

    Schlüsselbeine, Schulterblätter
    Stoßen schamlos hart mich an;
    Alte...