Der leidenschaftliche Pilger

Hat deines Himmelsaugs Beredtsamkeit
(Der stets die Welt vergeblich widersprochen)
Mich nicht bewegt, zu brechen meinen Eid?
Doch straflos wird für dich ein Eid gebrochen.
Ein Weib verschwor ich – daraus folget nur,
Daß ich dich, eine Göttin, nicht verschwor;
Du bist ein Engel, irdisch war mein Schwur,
Und deine Huld beugt meiner Sünde vor.
Mein Eid war Hauch, und Hauch kann Dunst nur sein:
Drum, schöne Sonne, meiner Erde Licht,
Ist er in dir, du sogst den Dunst-Eid ein;
Wenn dann gebrochen – ist’s mein Fehler nicht,
     Und brech’ ich ihn – ein Thor selbst wohl erkiese
     Den Meineid, führt’ er ihn zum Paradiese.

Die süße Venus saß an einem Bach,
Mit ihr Adonis, lieblich hold und fein;
Sie stellt mit manchem Liebesblick ihm nach, –
So blickt der Liebe Königin allein.
Sie sucht sein Ohr mit Mahrchen zu verführen,
Sie lockt sein Auge, läßt Verhülltes sehn,
Sie drückt ihn hier und dort, sein Herz zu rühren,
Sie drückt so sanft! Wer könnte widerstehn!
Doch, ob die Jugend noch in ihm nicht spricht,
Ob er verschmäht, was sie zu schenken dachte,
Den kleinen Tadler lockt der Köder nicht,
Er scherzt’ bei jeglichem Versuch und lachte.
     Da fällt sie plötzlich auf den Rücken hin –
     Und er springt auf und flieht! – Der Eigensinn! –

Macht Liebe treulos mich, wie soll ich Liebe schwören?
Nie hielt die Treue Stich, die nicht der Schönheit schwor;
Doch bin ich treulos mir, dir will ich treu gehören,
Mein Sinn, mir eichenfest, war dir ein schwankes Rohr.
Es wird die Wissenschaft dein Aug’ zum Buch ernennen,
Das allen Reiz enthält, den Kunst umfassen kann.
Wenn Kenntniß Endzweck ist, genügt es, dich zu kennen;
Die Zung’ ist hochgelehrt, die schön dein Lob ersann.
Wem du kein Wunder bist, deß Geist ist schwach und blöde,
Daß ich dich rühm’, ist das, was Gutes in mir ruht.
Zeus’ Blitzstrahl ist dein Aug’, sein Donner deine Rede,
Die (nicht zum Zorn geneigt) Musik und sanfte Gluth.
     O, himmlisch wie du bist, wirst du mir’s nicht verweisen,
     Daß ich des Himmels Lob mit ird’schem Wort muß preisen.

Die Sonne hatte kaum den Thau getrunken,
Kaum stand der Hirt am schatt’gen Zaun gelehnt,
Als Cypria, in Liebe ganz versunken,
Erwartungsvoll sich nach Adonis sehnt.
An einer Weide war’s, am Bach, ein Ort,
An dem Adonis oft den Unmuth kühlte;
Heiß war der Tag, doch heißer sie, die dort
Nach seiner Ankunft glüh’nde Sehnsucht fühlte.
Da kommt er plötzlich, wirft den Mantel ab
Und steht, ein Nackter, auf des Ufers Grün;
Hehr schaut die Sonne auf die Welt hinab,
Doch sehnlicher die Königin auf ihn; –
     Da sieht er sie, und stürzt hinein zur Stelle;
     „O Zeus“, ruft sie „o wär’ ich eine Welle!“

Schön ist mein Lieb, doch ach, sie ist bestechlich!
Gleich Tauben mild, doch treulos nur und frostig;
Klarer als Glas, doch auch wie Glas zerbrechlich;
Weicher als Wachs, und doch gleich Eisen rostig,
     Die Wange – Schnee und Rosen im Vereine,
     Keine so schön, doch auch so treulos Keine.

Wie waren unsre Lippen oft verbunden,
Wie schwur sie treue Liebe mir in Küssen,
Wie süße Mahrchen hat sie mir erfunden,
Wie war sie bang, verlieren mich zu müssen! –
     Und doch, trotz Allem, was sie mir versprochen,
     Hat sie die Treu’ und ihren Schwur gebrochen.

Sie brannt’ in Liebe, gleich wie Stroh in Flammen,
Die Lieb’ erlosch, so schnell wie Stroh verlischt;
Sie baute Lieb’, und riß sie dann zusammen,
Verhieß ihr Dauer, und hat sie verwischt!
     War Lieb’, war Wollust das, was soll ich meinen?
     Im besten Fall war’s schlecht, und gut in keinem. –

Geht mit Musik die Dichtkunst im Verein, –
Und als Geschwister thun sie’s sicherlich –
Groß muß dann zwischen uns die Liebe sein,
Da du die eine liebst, die andre ich.
Du freust dich Dowland’s, dessen Cither innig
Das Herz bezaubernd, es in Wonne taucht;
Ich freue Spenser’s mich, der zart und sinnig
Den Geist entzückend, nicht Vertheid’gung braucht.
Du liebst den melodienreichen Klang.
Von Phöbus’ Laute, dieser Königin,
Und wenn er selber anstimmt den Gesang,
Dann fühl’ ich mir begeistert Herz und Sinn.
     Ein Gott ist beider Gott, wie Dichter künden,
     Ein Mann liebt beid’; in dir sind beid’ zu finden.

Die schöne Venus, einst, an einem Morgen,
     —     —     —     —     —     —
Noch bleicher als ihr Taubenpaar vor Sorgen,
Des stolzen waglichen Adonis wegen.
Sie stellte sich auf einen Hügel hin,
Da kommt Adonis an mit Horn und Hund.
Die mehr als liebessieche Königin
Verweigert ihm den Weg zum Thalesgrund.
„Einst“, sprach sie, „sah ich einen Knaben schön
In jenem Busch mit Wunden schwer beladen,
Tief in dem Schenkel, schrecklich anzusehn.
Sieh’ meinen Schenkel hier, hier war der Schaden.“
     Sie zeigt ihn; er, der viele Wunden sieht,
     Erröthet drob, läßt sie allein und flieht. –

O Rose süß! Zu früh gepflückt, erblichen,
Im Lenze welk, als Knospe schon gepflückt, –
Du helle Perle bist zu schnell entwichen,
Dich, Schönheit, hat der Tod zu früh geknickt.
     So schüttelt wohl der Wind die grüne Pflaume,
     Und wirft sie, unreif noch, hinab vom Baume.

Ich wein’ um dich – doch warst du mir nicht hold!
Weßhalb? Ach, nichts ja hinterließt du mir.
Und ließest mehr mir doch, als ich gewollt! –
Weßhalb? Ach, nichts erbat ich ja von dir!
     Und doch! Verzeihung muß ich von dir bitten,
     Du ließest deinen Zorn mir unbestritten. –

Im Morgenschatten saßen traut beisammen
Adonis einst und Venus. Diese sprach
Von Mars’ Versuchen, seinen wilden Flammen
Für sie, und was er that, das ahmt sie nach.
„So“, rief sie, „hat der Kriegsgott mich umschlungen,“
Und ließ ihn dann in ihren Armen ruhn;
„So hat er oft den Gürtel mir entrungen“,
Als ob der Knabe Gleiches sollte thun.
„So“, rief sie, „preßt’ er oft die Lippen mir“,
Und ihre Lippen zeigten, wie’s geschehen, –
Doch als sie Athem schöpft’, entschlüpft’ er ihr,
Und wollte nicht, was sie gemeint, verstehen!
     O daß mich doch mein Mädchen herzt’ und küßte,
     Bis ich vor ihrem Kuß entfliehen müßte! –

Mürrisches Alter kann
     Nicht mit Jugend dauern;
Jugend ist voll Lust,
     Alter ist voll Qual;
Jugend ein Sommermorgen,
     Alter wie Winters Schauern,
Jugend wie Sommer stattlich,
     Alter wie Winter kahl.
Jugend ist voll Kraft
Alter ohne Saft;
     Jugend schnell, das Alter lahm!
Jugend kühn und heiß,
Alter schwach und Eis,
     Jugend wild, das Alter zahm.
Alter dich verschwör’ ich,
Jugend dich verehr’ ich,
     Mein Lieb, mein Lieb ist jugendlich,
Alter fort! Ich trotze dir,
Eile, süßer Freund! zu mir,
     Schon zu lang verweilst du dich! –

Die Schönheit ist nur ein vergänglich Gut,
Ein Firnißglanz, der bald geschwunden ist,
Ein Blümchen, sterbend in des Keimes Gluth,
Gebrechlich Glas, das bald zertrümmert ist.
     Ein eitles Gut, ’ne Blume, Firniß, Glas,
     Verwischt, verloren jen’s, zertrümmert das.

Und wie Du selten triffst verlornes Gut,
Verwischten Glanz kein Reiben wiederbringt,
Das todte Blümchen welk am Boden ruht,
Wie Splitter Glas zu kitten nicht gelingt,
     So bleibt verblich’ne Schönheit todt für immer,
     Und Schminke, Kosten, Mühn erneun sie nimmer.

Gut’ Nacht! Schlaf’ wohl! – Ach, fern ist solches Glück!
Sie sagt gut’ Nacht, die mir geraubt den Schlaf,
Und stößt zum Sorgenlager mich zurück,
Das Unglück zu bedenken, das mich traf.
     „Leb’ wohl“, sprach sie, „und komme wieder morgen!“
     Wohlleben konnt’ ich nicht – ich aß in Sorgen!

Doch als ich ging, da lächelte sie süß;
In Lieb’, in Haß? Ich weiß es nicht zu fassen;
Mag sein, daß sie mein Kummer lächeln hieß,
Mag sein, sie will zurück mich irren lassen:
     Irren – ein passend Wort für bleiche Schemen
     Gleich mir, die statt der Lust die Qual sich nehmen.

Gott! Wie mein Auge hin nach Osten blickt!
Es schmäht mein Herz die Uhr! Komm, Morgengrauen,
Das uns von eitler Ruh zur Arbeit schickt!
Kaum wag’ ich es, den Augen zu vertrauen.
     Es singt die Nachtigall; ich sitz’ und höre,
     Und wünsche nur, daß es die Lerche wäre.

Die grüßt mit ihrem Sang des Tages Licht,
Und scheucht ihn fort, den düstern Traum der Nacht;
Dann eil’ ich froh zu Liebchens Angesicht,
Es hofft das Herz, mein glüh’ndes Auge lacht; –
     Die Sorge wich dem Trost, der Trost mischt sich mit Sorgen,
     Weßhalb? Sie seufzt’ und sagte: Komme, Morgen! –

Mit ihr wär’ mir die Nacht zu schnell entschwunden,
Nun fügen zu den Stunden sich Minuten,
Mir dehnen die Minuten sich zu Stunden;
Nicht mir, o Sonne, gieb den Blumen Gluthen!
     Fort Nacht! Geh’, lieber Tag, zur Nacht zu borgen,
     Heut’ Nacht sei kurz, Nacht, desto länger Morgen! –

Es war eines Ritters Tochter, die schönste unter drei’n,
Die liebt’ wohl ihren Lehrer; nichts mocht’ ihr lieber sein,
Bis sie einen britt’schen Ritter sah, der war so hold und fein;
     Da fing sie an zu wanken!
Lang war der Kampf verzweifelt, den Lieb’ der Liebe bot:
Giebt sie dem Lehrer Abschied, giebt sie dem Ritter Tod?
Hier Eines auszuwählen, das machte große Roth
     Dem guten armen Mädchen!
Doch Einen muß sie wählen; sie war noch ungeschickt,
Daß Beide zu behalten, kein Mittel sie erblickt.
Da ward der treue Rittersmann mit Hohn zurückgeschickt,
     Sie konnt’ ihm, ach! nicht helfen.
So blieb im Streit mit Waffen die Kunst die Siegerin,
Erhielt als Preis das Mädchen; ja Lernen bringt Gewinn!
Drum Lullaby, der Lehrer, nahm so froh sein Dämchen hin.
     Hier hat mein Lied ein Ende. –

     Liebe, die den Mai nur mag,
Lieb’, an einem Maientag,
Sah ein Blümchen voll von Duft
Kosen mit der lauen Luft,
Sah den Wind, der unerkannt
Sich durch Sammetblätter wand,
Daß sie liebend, voll von Pein,
Wünscht’ des Himmels Hauch zu sein.
„Luft, du fächelst ihre Wangen,
Dürft’ ich den Triumph erlangen!
Doch die Hand gab das Versprechen,
Nimmer dich vom Dorn zu brechen!
Ungeschickter Jugendschwur!
Schönheit pflückt die Jugend nur!
Nenn’ es Sünde nicht in mir,
Brech’ ich meinen Eid bei dir,
Für dich hätte Zeus geschworen,
Juno sei nur eine Mohrin;
Wäre nimmer Zeus geblieben,
Wäre sterblich, dich zu lieben.“ –

Meine Heerde schlingt nicht,
Mein Schaf bringt nicht,
Mein Bock springt nicht,
     Alles verkehrt!
Der Lieb’ Entwöhnen,
Der Treu’ Verhöhnen,
Des Herzens Sehnen
     Hat mir’s bescheert!
Vergessen sind meine lustigen Lieber,
Meines Mädchens Liebe kommt nimmer wieder!
An den Platz, den die Treue sonst eingenommen,
An den ist ein frostiges „Nein“ gekommen!
Ein thörichter Scherz
Bricht nun mein Herz!
     O zürnend Schicksal, arges, loses Lieb!
Ich seh’ auf’s neu,
Daß doch die Treu’
     Bei Männern mehr als Weibern blieb!
In Trauer schmacht’ ich,
Die Furcht veracht’ ich,
Die Liebe verlacht mich,
     Leben ist Pein!
Im Herzen Wunden,
Hoffnung geschwunden,
Keinem verbunden,
     Bleib’ ich allein.
Meine Schäferpfeife ertönet nicht,
Meines Hammels Glocke von Trauer spricht,
Mein Hund, der spielend mich geneckt,
Der spielt nicht mehr und scheint erschreckt.
Er scheint zu trauern,
Mich zu bedauern,
     Als wiss’ er, was mich weinen macht.
Die Klag’ erschallt
Im stillen Wald,
     Wie von tausend Besiegten in blutiger Schlacht. –
Die Quelle springt nicht,
Der Vogel singt nicht,
Die Pflanze dringt nicht
     An’s Licht, sie bleicht!
Die Heerde ziehet,
Die Sonne glühet,
Die Nymphe fliehet,
     Von mir verscheucht!
Alle Lust, die wir armen Schäfer gekannt,
Das freudige Tanzen im Wiesenland,
Das fröhliche Scherzen am Abend verdarb,
Die Lieb’ ist verloren, denn Liebe starb!
Leb’ wohl, süß Lieb,
Deines Gleichen blieb
     Der Erde nicht mehr, Urquell meiner Pein!
Mit seinem Kummer
Bleibt ohne Schlummer
     Der Schäfer einsam; nichts kann Trost verleihn.

Sobald dein Aug’ das Mädchen fand,
Und steht dir erst das Rehchen stille,
So mag Vernunft den Uebelstand
Verbessern, nicht verliebte Grille.
     An weis’re Köpfe wende dich,
     Die nicht zu jung, doch ehelich. –

Bringst du darauf dein Sprüchlein an,
So wolle nicht in Worten kramen,
Damit sie List nicht ahnen kann;
(Der Krumme wittert bald den Lahmen!)
     Sag’ ihr, sie sei dir herzlich lieb,
     Und was du bieten kannst, das gieb.

Wenn auch der Stirne Falten dräun,
Der düstre Blick wird hell vor Nacht;
Sie wird es dann zu spät bereun,
Daß sie sich um Genuß gebracht,
     Und zweimal wünscht sie, eh’ es tagt,
     Was früher zornig sie versagt. –

Und sucht sie gleich dich abzuwehren,
Und schreit und tobt, verneint und schwört,
Sie läßt am Ende dich gewähren,
Wenn List so sprechen sie gelehrt:
     „Nur Männerstärke fehlet mir,
     Dann wies’ ich wohl die Wege dir!“

Zu ihrem Willen mach’ den deinen,
Kein Geld gespart, komm’ ihr zuvor!
Wo dein Verdienst hell kann erscheinen,
Da sprich ihr überall in’s Ohr:
     „Wie stark auch Feste, Mauer, Burg,
     Die gold’ne Kugel dringt hindurch.“

Bediene immer sie nach Pflicht,
Dein Werben sei bescheiden, treu,
Und nur wenn sie die Treue bricht,
Dann wähl’ auch du für dich auf’s neu.
     Gedulde dich, die Zeit bringt Glück,
     Stößt sie auch anfangs dich zurück.

Es soll’n der Weiber List und Ränke,
So schön verhüllt in äußern Schein,
Und ihre Pfiffe, Possen, Schwänke,
Selbst ihrem Hahn verborgen sein.
     Hast du’s nicht oftmals schon gehört:
     Des Weibes „Nein“ hat keinen Werth?

Glaub’ nur, ein Weib setzt sich zur Wehr
Um Lust, nicht um ’nen Heil’genschein;
Für sie giebt’s keinen Himmel mehr,
Wenn Zeit und Alter sie bedräun;
     Und thät das Küssen es allein –
     Da wird ein Weib das andre frei’n.

Nun still! Genug, du kühne Weise,
Sonst hört mein Mädchen diesen Sang,
Und flüstert dann in’s Ohr mir leise,
Er sei schon lange viel zu lang;
     Und hörte sie, was ich verrieth,
     Sie würd’ erröthen bei dem Lied. –

Einst, es war an einem Tag,
Wie der lust’ge Mai ihn mag,
Saß ich bei des Mittags Schwüle
In der Myrthengrotte Kühle.
Thiere liefen, Vögel sangen,
Bäume grünten, Knospen sprangen,
Freud’ und Wonne überall –
Traurig nur die Nachtigall!
Sie, beraubet jeder Lust,
Lehnt auf Dornen ihre Brust,
Und dort sang sie Trauerlieder
Schwermuthsvoll, und immer wieder
Fei, Fei, Fei, und immer zu
Tereu, Tereu ohne Ruh’;
Daß ich kaum den Thränen wehrte;
Als ich so sie weinen hörte,
Denn ihr Leid, so tief geklagt,
Hatte meines aufgejagt.
O vergebens jammerst du,
Dacht’ ich, wer spricht Trost dir zu?
Bäume lassen sich nicht rühren,
Und an Mitleid fehlt’s den Thieren!
König Pandion ist todt,
Freunde mangeln deiner Noth;
Andre Vögel jubeln laut,
Deinem Kummer nicht vertraut! –
Armer Vogel, gleich wie dich,
Läßt man ohne Trost auch mich!
Als das Glück uns noch gelacht,
Hat man schmeichelnd uns bedacht,
Wer dir naht mit Schmeichelei’n,
Läßt im Unglück dich allein.
Worte gleichen leichten Winden,
Freunde – die sind schwer zu finden!
Wenn du Geld zum Spenden hast,
Ist dein Freund schon jeder Gast;
Wenn’s am Gelde dir gebricht,
Hast du Noth, man hilft dir nicht.
Den Verschwender nennt man nur
Mild und gütig von Natur,
Und es ruft der Schmeichler Heer:
„O daß er ein König wär’!“
Trägt er dann nach Rath Verlangen,
Ist er bald im Netz gefangen;
Macht die Lieb’ ihm Zeitvertreib,
Gleich befiehlt ihm jedes Weib!
Zieht das Glück die Stirn in Falten,
Dann leb’ wohl, du prächt’ges Walten!
Die sich sonst vor ihm gebückt,
Finden nun ihn ungeschickt.
Nur ein Freund, der wahrhaft treu,
Steht auch in der Noth dir bei,
Thränen schenkt er deinem Kummer,
Wachst du, kennt er keinen Schlummer,
Auch des Herzens tiefstes Leid
Ist zu theilen er bereit.
Also scheiden sicherlich
Treuer Freund und Schmeichler sich. –

Fort, o fort die Lippen dein,
     Die so süß gespielt mit Schwüren,
Und der Augen Dämmerschein,
     Die den Morgen irre führen!
Meine Küsse gieb zurück,
Liebessiegel, – falsch ihr Glück.
Birg, o birg der Hügel Schnee,
     Die dein frost’ger Busen trägt,
Wo die Knöspchen auf der Höh’
     Stehn, wie der April sie hegt;
Doch zuvor entlaß mein Herz
Dieser Fesseln kaltem Erz.

Laß den Vogel hellster Lieder, –
Der in Arabien haus’t allein –
Schwermuthsvollen Herold sein,
Folg’ ihm dann, ein keusch Gefieder!

Doch der schreiende Verkünder
Jedes Unglücksfalls und Leidens,
Er, der Bote nahen Scheidens,
Keinen Platz im Zuge find’ er!

Dem Vereine fern soll stehn
Jene Vogelschaar, die raubt;
Nur des Adlers Königshaupt
Soll die Feier mitbegehn.

Und der Schwan, als Priester, singe,
Weiß gekleidet, Trauerlieder
Auf das Todtenpaar hernieder,
Und das Requiem erklinge.

Bleibe dreifach alte Krähe, –
Der ein schwarz Geschlecht erzielt
Athem, den sie giebt und stiehlt, –
In des Trauerzuges Nähe.

Nun beginnt der Trauerchor:
Lieb’ und Treu’ ist ausgegangen,
Taub’ und Phönix, ach, sie schwangen
Sich in Flammengluth empor!

Beide fühlten gleiche Triebe,
Doch die Liebe war nur eine,
Zwei Gestalten, – Trennung keine,
Es verschwand die Zahl in Liebe.

In den Herzen, nicht erkennen
Ließ sich einer Trennung Spur,
Zwischen Taub’ und Phönix nur
Darf man das kein Wunder nennen!

So war ihre Liebe gleich,
Daß für Jedes alles Licht
Gab des Andern Angesicht,
Jenes war im Andern reich.

Und das Eigenthum erblich,
Weil das Selbst sich nicht gehörte;
In des Andern Namen hörte
Taub’ und Phönix Jedes sich.

Der Verstand, in sich verwirrt,
Sah die Trennung sich vereinen,
Jedes nur das Andre scheinen,
In einander so verirrt,

Daß er ausrief: „Mir will scheinen,
Daß sich Zwei in Eins hier banden!
Lieb’ allein nur hat’s verstanden,
So Getrenntes zu vereinen!“

Diese Trauermelodie
Für die beiden Liebessterne,
Taub’ und Phönix, die nun ferne,
Macht’ er drauf als Chor für sie:

Schönheit, Treue, Seltenheit,
Anmuth in Bescheidenheit,
Ist’s, was diese Asche beut.

Todt ist nun des Phönix Lust,
Und der Taube treue Brust,
Sterben hat auch sie gemußt!

Kinder thun ihr Lob nicht kund,
Doch nicht Schwäche war der Grund,
Nein, der Ehe Keuschheitsbund.

Treue scheint, kann nicht mehr sein;
Schönheit prahlt, es ist nur Schein,
Treu’ und Schönheit im Verein

Ruhen hier! Hieher laßt gehn
Sie, die treu sind oder schön,
Und für diese Todten flehn! –

Collection: 
Translator Simple: 
Emil Wagner, Pseudonym für: Ludwig Reinhold Walesrode
1840

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