Venus Vita

Und einen Feldweg, und um Morgengrauen,
     die kahlen Bäume stehen da wie tot,
     ich aber wandre, ohne aufzuschauen.
Ich fühle eine Furcht; und Regen droht.
     Ich höre den gedüngten Acker schweigen;
     und heute wird kein Morgenrot.
Die Straße teilt sich. In den schwarzen Zweigen
     sagt keine Tafel mir die rechte Spur:
     soll ich hinunter, soll ich steigen.
Da däucht mir, in der tiefen Flur
     rief mich mein Name; aus ersticktem Munde.
     Ich horche; Nichts. Im Osten nur
enttaucht ein Licht dem fernen blassen Grunde.
     Es ist kein Stern, es schimmert warm und traut,
     mir dämmert eine längst vergangne Stunde,
und wieder hör’ich fern und laut
     die bange Stimme meinen Namen rufen;
     und mir graut.
Mir scheinen plötzlich diese Ackerhufen
     bekannt; ich bin so wandermatt;
     und dieser Pfad, und diese Wurzelstufen?
hinab! – Schon wird der Abhang glatt;
      auf Einmal, wie von einem Kinderwagen,
     springt mir ein Rad
unter den Füßen auf. Ich seh es jagen,
     es springt und rollt den Kiesweg vor mir her,
     seh’s Funken schlagen;
mein Schreck, mein Zittern wird Begehr,
     ich muß ihm nach, es haben! bis zur Kehle
     hämmert mein Herz, das Rad rennt immer mehr,
und immer ruft mich klagend jene Seele
     und winkt das Licht,
     das Rad – Ich – jetzt: ich greife, fehle,
es ist ein Lichtrad! halt! nach, eh’s zerbricht!
     ich fass’es, stürze – wach’ich? meine matten
     Finger umklammern es, – nein – nicht:
in meiner Hand zerrann es wie ein Schatten ...

Collection: 
1893

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