Der weise König

Ich will nicht immer küssen;
ich will nur fühlen, du bist mein!
Und wenn du noch viel nackter wärst,
ich würde lieber zu Stein,
als heut dich küssen.

Gieb mir die stillste Stille,
die du geben kannst.
Dann will ich wie der Mondschein dort,
der auf den Blättern tanzt,
bei dir bleiben.

So sprach der weise König.
Da fiel ein Blatt in ihren Schooß,
der Wind fuhr durch den Mondschein;
sie aber nickte blos
und küßte es.

Er ist bei ihr geblieben,
er riß ihr Blatt vom Munde;
er ist die ganze Nacht geblieben
und hat sie - Gott weiß wie still - geküßt,
wohl hundertmal die Stunde.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913

Collection: 
1920

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    Gieb mir die stillste Stille,
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