Schillers „Jungfrau von Orleans.“
(März 1848.)
Es lag ein dumpfer Fluch ob allen Landen,
Ein dumpfer Fluch auf jeder Menschenbrust;
Die Völker schmachteten in schweren Banden,
Wie Hohn klang jedes Wort von Glück und Lust,
Wie Hohn klang, was die Dichterseher sangen
Von neuer Zeiten goldnem Morgenrot –
Die Freiheitssonne war ja untergangen
Und alles ringsum nächtlich still und todt.
Da hab’ ich traurig oft zu Nacht gesessen
Im wilden Schmerz, der mich nicht schlafen ließ,
Und konnte nicht die Welt um mich vergessen,
Das Leben nicht, das doch nur Elend wies –
Doch immer hörte ich im Geist die Kunde:
Warum im Dunkeln zweifeln an dem Licht?
Geschrieben steht: „Ihr wißt nicht Tag und Stunde,
Doch kommt der Herr und hält ein Weltgericht.“
Und stark im Glauben und im innern Schauen
Warf ich mich wieder in das Weltgewühl,
Sang stolze Freiheitslieder im Vertrauen:
Bald wird zur Wahrheit, was jetzt nur Gefühl.
Und klagend ob der Zeiten schwer Verschulden
An aller Völker Ehre, Seel’ und Leib,
Rief ich im Zorn ob schmählichem Erdulden:
„Und ich bin nichts als ein gefesselt Weib!“
Erfüllt ward was die Bibelworte sagen:
„Will Gott ein Volk befrein,“ spricht der Prophet,
„Wird er mit Blindheit seinen König schlagen“ –
Da sehn wir wie die Freiheit aufersteht:
Der Julikönig stürzt vom Herrschersitze,
Die Marsellaise wird sein Abschied’gruß,
Sein Purpurmantel schmückt als Freiheitsmütze
Das Mal des Sklavenführers Spartakus.
So ist in Frankreich Tag und Stunde kommen,
Die Weltgeschichte hält ihr Weltgericht;
Ein glorreich Volk hat sich sein Recht genommen,
Ein Volk, das nicht allein mit Worten spricht,
Vor dessen Thaten alle Throne beben –
Und alle Völker wagen diesen Ruf:
Wir wollen frei, ein Volk von Brüdern leben,
Tot ist die Zeit, die feige Sklaven schuf!
Und jubelvoll ringsum im deutschen Lande
Hallt es von Gleichheit und von Menschenrecht;
Die Herzen lodern auf im Freiheitsbrande;
Zum deutschen Bürger wird der deutsche Knecht;
Das Volk will nicht nach Blut und Aufruhr dürsten
Doch will es ein Gesetz aus eigner Wahl,
Vor dem es selbst sich beugt sammt seinen Fürsten,
Was ihm gebührt – das will es allzumal!
Freiheit und Gleichheit in den deutschen Staaten
Und jedes Recht, das man uns vorenthielt,
Um das wir lang’ als schwache Kinder baten,
Das man versprach und nimmer doch erfüllt:
Das muß uns heut, das muß uns allen werden!
Es kommt die neue Zeit mit ehrnem Gang,
Mit großem Aug’ und mutigen Gebärden
Und einem heiligen Triumphgesang.
Arbeit und Brot! Ihr werdet’s nicht vergessen –
Das ist die Losung dieser neuen Zeit!
Gebt dem sein Recht, der keines noch besessen!
Denkt an der Armut, an des Hungers Leid;
Pflegt wohl der Menschenliebe goldne Saaten
Und pflückt der Freiheitsbäume reife Frucht;
Ist dann des Landmanns Ernte auch mißraten:
Vom Hungertod wird niemand heimgesucht!
O hohe Zeit! rings flicht man Bürgerkronen
Und feiert schon der Freiheit Ostertag,
Und jauchzt im „Männerstolz vor Königsthronen,“
Weckt auf das Volk, das nicht mehr schlafen mag.
O schöne Zeit! könnt’ ich mit Euch erheben
Dies deutsche Land, daß frei es sei und bleib’!
Ich bet’ um Segen nur für Euer Streben, –
„Denn ich bin nichts als ein gefesselt Weib!“