Traum eines Armen.
So war’s. So stand ich: dumpf, doch fühlend: stumm:
im roten Saal, reglos, in dunkler Ecke:
dumpf, starr und fühlend: schwer: Stein unter Steinen:
bang: starr, und fühlend! –
Die schlanken Alabastersäulen leuchten;
vom hohen Saum der Purpurkuppel hängen
und glänzen weit ihr silbern Licht herab
im Doppelkreis die großen weißen Ampeln;
die roten Nischen bergen zarte Schatten
und spiegeln sich im blanken Pfeilerwerk;
es ist so still ...
Und stumm gleich mir und unbewegt, von Nische
zu Nische, stehn Gestalten: Mann und Weib.
In weißer Nacktheit stehn sie schimmernd da;
die glatten Sockelblenden werfen Strahlen;
die roten Wände füllen lebensweiche
geheime Schmelze um den Rand der Glieder;
von Kraft und Ruhe träumt der reine Stein;
sie sind so schön ...
Ich aber hocke in der dunklen Ecke
und fühle meines Leibes Magerkeit
und meiner Stirne graue Sorgenfurchen
und meiner Hände rauhe Häßlichkeit.
In meinem Staub, in meinen Straßenlumpen
mißfarben angetüncht, so hocke ich
auf fahlem Postamente, steif und bang,
vor ihrer Nacktheit mich der Kleider schämend:
Stein unter Steinen ...
Nur Einer atmet in der stillen Halle.
Dort in der Mitte, auf dem mattgestreiften
eisblassen Marmor, liegt im Dornenkranz,
blutstropfenübersät die bleiche Stirn,
ein Mensch und schläft. Sein weißer Mantel hebt sich
in langen Falten leise auf und nieder.
Im Silberlicht der Ampeln glänzen rötlich
der schmale Bart, das schwere, weiche Haar.
Hinauf zur Kuppel bebt der milde Mund;
so lautlos schön ...
Nun kommt ein Seufzen durch den stummen Glanz.
Die stillen Lippen haben sich geöffnet.
Im blanken Alabaster spiegelt sich
des blutbesprengten Hauptes leise Regung.
Klar, langsam thun zwei große blaue Augen
empor zur Purpurwölbung weit sich auf,
sanft auf; und alles Rot und Weiß des großen
Gemaches überleuchtet dieser großen
verklärten Augensterne dunkeltiefes,
unsäglich tiefes, dunkles, sanftes Blau.
So steht er auf ...
Da scheinen sich die Steine rings zu rühren,
die weißen Glieder eigner sich zu röten,
und nur von Sehnsucht starr. Er aber wandelt.
Die Dornenkrone bebt; und wie er sacht
von Postament zu Postamente schreitet,
und Wen er ansieht mit den blauen Augen,
der lebt und steigt in Schönheit zu ihm nieder,
Der lebt, Der lebt! –
Und steigend, wandelnd, aus den Purpurzellen,
in warmer Nacktheit leuchtend Leib an Leib,
folgt Paar auf Paar ihm von den Marmorschwellen,
so stolz, so stolz, umschlungen Mann und Weib.
Von ihren Stirnen, von den lichtbetauten
sorglosen Lippen ein Erwachen flieht,
der weite Saal erklingt von Menschenlauten,
es schwebt ein Lied.
Es schwebt und klingt: „So wandeln wir in Klarheit
und wissen aller Sehnsucht Sinn und Ziel:
in Unsrer Schönheit haben wir die Wahrheit,
zur Freude reif, und frei zum kühnen Spiel!“
So schwebt das Lied ...
Ich aber hocke in der dunklen Ecke,
und fühle meiner Glieder Häßlichkeit
und meiner Stirne graue Sorgenfurchen,
und fühle neidisch ihre warme Nacktheit
und frierend ihren Jubel – ich ein Stein.
Von Pfeiler hell zu Pfeiler tönt der Zug,
des stillen Wandlers Dornenkrone bebt,
ich aber bebe mit in meinen Lumpen
und warte, warte auf die blauen Augen
und will auch leben, auch ein Freier wandeln,
nicht Stein, nicht Stein! –
Und näher glänzt und klingt es um die Säulen;
vom letzten Sockel folgt ein Mädchen ihm;
er kommt! er kommt! –
Und er steht vor mir. Da verstummt der Zug;
ich fühle ihre stolzen Augen staunen
und fühle seine, seine Augen ruhn
in meinen, ruh’n, und will mich an ihn werfen
und will ihm küssen seinen milden Mund,
da brechen perlend seine Wunden auf,
die bleiche Stirn, die Lippe zuckt, – er spricht,
ihm schießen Thränen durch den blutigen Bart,
spricht: „Deine Stunde ist noch nicht gekommen!“
Und ich erwachte. Weinend lag ich nackt;
nackt wie die Armut.