O laßt mich einmal träumen
Im wonniglichen Mai,
Mich ruhn unter Blütenbäumen,
Eh Mai und Lenz vorbei!
Des Wasserfalles Rauschen,
Der Nachtigallen Gesang –
Laßt mich ihn stille belauschen,
Er tönt ja so nicht lang.
Laßt unter grünen Blättern
Mir suchen ein Lager auf,
Wenn wirbelnde Lerchen schmettern
Ihr Lied zum Himmel hinauf.
Und wenn die Wachteln schlagen
Im hohen blühenden Korn,
Indes in duftigen Hagen
Erkeimet jeder Dorn –
Da sollt Ihr mich nicht quälen
Mit Fragen her und hin:
„Wie können wir auf Dich zählen,
Treulose Kämpferin.
Wenn Du von Träumen befangen
Unter den Blüten liegst,
Wo Schmetterlinge prangen
Im süßen Taumel Dich wiegst?
Wenn Du im Mondenglanze
Als nächtliche Schwärmerin
Dich schmückst mit blühendem Kranze,
Dess’ Duft betäubt den Sinn?
Jetzt schlummerst Du selbst im Wachen,
Einst wachtest im Schlummer Du auf
Und rangst mit den feindlichen Drachen,
Die hemmen der Zeiten Lauf.
Und wolltest kämpfen und dienen
Dem Volke bis es frei;
Jetzt lauschst Du summenden Bienen
Als sei aller Kampf vorbei?!“
Hört auf, mich so zu quälen
Mit Fragen hin und her;
Ich werd’ im Kampfe nicht fehlen,
Doch schmück ich meinen Speer!
Schmück ihn mit blühenden Sprossen,
Mit Halmen schwer und voll,
Und glaubt mir, Kampfgenossen,
Daß er noch treffen soll!
Beim fröhlichen Kränzebinden
Bleibt jung und frisch mein Mut,
Die Starren zu überwinden
Mit Lenzbegeisterungsglut.
Die Halme sollen’s erklären:
Mein Speer ist den Armen geweiht,
Nicht länger soll es währen,
Um’s tägliche Brot ihr Leid.
Doch selbst in blutigen Kriegen
Man Waffenstillstand hält,
Wenn es sich just muß fügen,
Daß drein ein Festtag fällt.
Den fromme Gläubige ehren
So wollen im Lenz wir thun,
Woll’n seine Feier verklären
Und von den Waffen ruhn.
Und seid Ihr’s nicht zufrieden,
Seid Ihr zu strenge und kalt,
So ist doch mir beschieden
Die fromme Feier im Wald.
So laßt doch den Poeten
Im Lenze werden zum Kind,
Mit Vögeln und Blumen ihn reden,
Die seine Vertrauten sind.
So laßt mich einmal träumen
Im wonniglichen Mai,
Mich ruhn unter Blütenbäumen,
Eh Mai und Lenz vorbei.
Und auf hört mich zu quälen
Mit Fragen hin und her –,
Ich werd’ im Kampfe nicht fehlen,
Doch schmück ich meinen Speer!