Ich bin bereit

(Geschrieben zur Zeit einer Epidemie 1871.)

I.

Ich bin bereit! willst Du hinweg mich rufen
Von dieser Erde, nimm, mein Gott, mich hin.
Der Tod ist meiner Seele nur Gewinn:
Er führt empor zu neuen Lebensstufen.

Die mächt’gen Schöpferworte, die mich schufen,
Die mich erfüllt mit selbstbewußtem Sinn –
Sie werden seit der Welten Anbeginn
In einem ew’gen Echo fortgerufen.

Sie tönen, wirken fort ohn’ End’, ohn’ Ende,
Rings in dem Riesenpulsschlag der Natur,
Als immer neuverjüngte Lebensspende.

Und über mir, im himmlischen Azur,
Dort, wo auch meines Geistes Sonnenwende,
Kann nicht verwehen ihre heil’ge Spur.

II.

Ich bin bereit! – wohl war es schön hienieden,
Als mir bei Veilchenduft und Lerchenschlag,
An manchen sonnenhaften Frühlingstag
Ein innig Lied zu singen selbst beschieden.

Und schön auch, wenn nach Stürmen, nie gemieden,
Nach einem Wetter, das in Blitzen sprach,
Hervor ein bunter Regenbogen brach,
Verkündend einen neuen Sabbatfrieden.

Schön war’s, wenn bei des Mondes mildem Leuchten,
Und bei der Nachtigallen süßem Sang,
In tiefer Sehnsucht sich die Augen feuchten.

Und schöner, wenn in der Begeistrung Drang
Sich Herz und Seel’ dem Ew’gen nahe deuchten –
Doch – wenn dies sterbend nun erst ganz gelang?

III.

O schönes Leben, das der Liebe Bande
Um mich mit allen ihren Zaubern wob!
Ein trauter Arm mich in den Himmel hob
Und Herz an Herz im süßen Feuer brannte.

Ja! Liebe wird zum Himmels Unterpfande!
Ob Sturm und Blitz die Myrthe auch umtob,
Ob auch die schönste Rose noch zerstob –:
Die Liebe ist des Ew’gen Abgesandte.

Wenn Seel’ und Seele sich verwandt erkennen?
Ob wir es Freundschaft, ob wir’s Liebe nennen,
Es ist ein Zeichen unsrer Göttlichkeit.

Und wenn die Geister sich vom Ird’schen trennen –
Wo ist für rechte Liebe denn das Leid?
Dort ist der Liebe Reich – ich bin bereit!

IV.

Ein Ziel, ein hohes, hatt’ ich mir erkoren,
Ihm weiht ich mich mit allem was ich bin:
Die Freiheit nahm mich auf als Priesterin,
In ihrem Dienst hielt ich, was ich geschworen.

Und war’s ein Spott, den Klugen wie den Thoren,
Ehrt’ in der Frau ich auch die Bürgerin:
Klar blieb und fest und unbeirrt mein Sinn,
Nie hab’ ich mich von meinem Weg verloren.

Das Ewige, sich hier schon offenbarend
In Lenz und Liebe und im Freiheitsdrang,
Bis in den Tod in meiner Brust bewahrend.

Und wie ich oft schon ahnend auf mich schwang,
Nicht Müh’ und Not noch jähen Sturz befahrend,
Bin ich bereit zu meinem letzten Gang!

Collection: 
1893

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