An eine Sängerin

Steh! Weile! Blick in meine Seele herüber!
Frage mich, frage: Was ist dein Gesang?
Ich will’s dir sagen, du Fernhergekommne,
Die vor sich selbst, wie ein Kind vor der Blume,
Zitternd steht und des Rätsels nicht klug wird.

Dein Gesang ist der Stern, den die Forscher nicht fanden,
Weil er aufstrahlt zwischen den Grenzen der Tage
Und zwischen den Räumen, die Nachbar sich grüßen.
Dort glänzt er den Blinden, ein Wundergestirn.

Wem Gott gab, ohne Augen zu sehen,
Hebt, erst geblendet, sein Haupt schon kühner,
Staunt froh erwacht in funkelnde Helle,
Fühlt heißerschrocken, zum Himmelsscheitel
Emporgerissen, sich selbst schon brennen
Von reinen Gluten. Herüber, hinüber
In klingendem Wettwurf ein Lanzengeflimmer,
Tausch goldener Strahlen. Er selbst ward zum Stern.
Verwesliche Tiefe ruht dunkel. Dort oben
Glüht, trunken am ewigen Quell, die Gemeinschaft.

Collection: 
1922

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