1. Lebewohl
Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb!
Muß noch heute scheiden.
Einen Kuß, einen Kuß mir gib!
Muß dich ewig meiden.
Eine Blüt', eine Blüt' mir brich
Von dem Baum im Garten!
Keine Frucht, keine Frucht für mich!
Darf sie nicht erwarten.
2. Scheiden und Meiden
So soll ich nun dich meiden,
Du meines Lebens Lust!
Du küssest mich zum Scheiden,
Ich drücke dich an die Brust.
Ach Liebchen! heißt das meiden,
Wenn man sich herzt und küßt?
Ach Liebchen! heißt das scheiden,
Wenn man sich fest umschließt?
3. In der Ferne
Will ruhen unter den Bäumen hier,
Die Vöglein hör' ich so gerne.
Wie singet ihr so zum Herzen mir!
Von unsrer Liebe was wisset ihr
In dieser weiten Ferne?
Will ruhen hier an des Baches Rand,
Wo duftige Blümlein sprießen.
Wer hat euch, Blümlein, hieher gesandt?
Seid ihr ein herzliches Liebespfand
Aus der Ferne von meiner Süßen?
4. Morgenlied
Noch ahnt man kaum der Sonne Licht,
Noch sind die Morgenglocken nicht
Im finstern Tal erklungen.
Wie still des Waldes weiter Raum!
Die Vöglein zwitschern nur im Traum,
Kein Sang hat sich erschwungen.
Ich hab' mich längst ins Feld gemacht,
Und habe schon dies Lied erdacht,
Und hab' es laut gesungen.
5. Nachtreise
Ich reit' ins finstre Land hinein,
Nicht Mond noch Sterne geben Schein,
Die kalten Winde tosen.
Oft hab' ich diesen Weg gemacht,
Wann goldner Sonnenschein gelacht,
Bei lauer Lüfte Kosen.
Ich reit' am finstern Garten hin,
Die dürren Bäume sausen drin,
Die welken Blätter fallen.
Hier pflegt' ich in der Rosenzeit,
Wann alles sich der Liebe weiht,
Mit meinem Lieb zu wallen.
Erloschen ist der Sonne Strahl,
Verwelkt die Rosen allzumal,
Mein Lieb zu Grab' getragen.
Ich reit' ins finstre Land hinein
Im Wintersturm, ohn' allen Schein,
Den Mantel umgeschlagen
6. Winterreise
Bei diesem kalten Wehen
Sind alle Straßen leer,
Die Wasser stille stehen,
Ich aber schweif' umher.
Die Sonne scheint so trübe,
Muß früh hinuntergehn,
Erloschen ist die Liebe,
Die Lust kann nicht bestehn.
Nun geht der Wald zu Ende,
Im Dorfe mach' ich halt,
Da wärm' ich mir die Hände,
Bleibt auch das Herze kalt.
7. Abreise
So hab' ich nun die Stadt verlassen,
Wo ich gelebet lange Zeit;
Ich ziehe rüstig meiner Straßen,
Es gibt mir niemand das Geleit.
Man hat mir nicht den Rock zerrissen,
Es wär' auch schade für das Kleid!
Noch in die Wange mich gebissen
Vor übergroßem Herzeleid.
Auch keinem hat's den Schlaf vertrieben,
Daß ich am Morgen weitergeh';
Sie konnten's halten nach Belieben,
Von einer aber tut mir's weh.
8. Einkehr
Bei einem Wirte, wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.
Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt' er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!
9. Heimkehr
O brich nicht, Steg, du zitterst sehr!
O stürz nicht, Fels, du dräuest schwer!
Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein
Eh' ich mag bei der Liebsten sein!