Das neue Frühlingslied

I.
Im Mai durch grüne Auen,
Das ist mein liebster Gang,
Da muß das Vöglein bauen -
Es baut und frägt nicht lang.

Das geht dann so geschäftig
Mit Hälmchen auf und an,
Sein Bau wird kühn und kräftig,
Natur gibt Riß und Plan. -

Ist auch ein Lenz gewesen
Einmal, mein Vögelein!
Hab' mir ein Lieb erlesen,
Wie du zur Lust im Hain.

Hab' aber ganz vergessen -
Mußt' immer schau'n und schau'n.
Sie war so unermessen
Schön! - mir ein Nest zu bau'n.

Sieh, sieh, da schickt dir Wolle
Und Flaum Gevatter West,
Geh', Vöglein, geh' und trolle
Dich flink damit ins Nest!

Mußt nicht so emsig lauschen
Auf meine Märlein hier,
Bald wird der Lenz verrauschen,
Dann ging' es dir wie mir!

II.
Früh andern Tages im Thaue
Frug ich das Vöglein: wie,
Zu Ende schon mit dem Baue?
So ziemlich - rief's - sieh, sieh!

Weil du den Liebesbefehlen
So nachgekommen bist,
Will ich dir kein Wort verhehlen
Wie mir's ergangen ist:

Ich hätte, wie allerwegen
Schon Lenzes Abschied kam,
Nur mögen des Kosens pflegen -
Ganz Taubenbräutigam!

Vielleicht ich hätt' es getrieben,
Ich kindessel'ger Narr!
Das Tändelspiel und das Lieben
Bis ich ergraut und starr.

Doch Liebchen dachte vernünftig
Und sprach: das geht nicht an,
Ade! ich suche inskünftig
Mir einen bravern Mann,

Der mir ein niedliches Nestchen
Erbaut zur Maienzeit
Auf einem friedlichen Aestchen
In Haines Lieblichkeit.

Du Fant, du fauler magst wählen
Die Kuckuckin zum Weib,
Der kann sich ein Fant vermählen
Zu bloßem Zeitvertreib.

Die Kuckuckin aus dem Holze,
Die braucht kein Nest für sich:
Gleich ferne von Ehr' und Stolze -
Ein Thier just recht für dich! -

Die Kuckuckin aus dem Holze,
Mein Lieb, die mag ich nicht,
Nur dich, du stolzeste Stolze
Mag ich, kein' And're nicht!

III.
Es ist vom Frühlingskusse
Das Blümchen aufgewacht,
Die Welle hüpft im Flusse,
Des Himmels Antlitz lacht,

Es ist ein Musizieren
In Frühlings Jubelsaal,
Wo ich mag hinspazieren,
Erklinget Berg und Thal!

Das sind die Hochzeitstänze
Für Thierlein wild und zahm;
Die Blumen sind die Kränze
Für Braut und Bräutigam.

Manch Kränzlein ist benetzet
Von Bräutchens Aeugelein,
Vielleicht - daß es sich letzet
Mit Vater und Mutter sein!

Vielleicht ging Aeuglein über
Vor sehnsuchtsvoller Pein,
Vielleicht wär' es noch lieber
Geblieben Jüngferlein!?

Doch wie die Lust recht waltet,
Wie Alles bunt sich mischt,
Ist Bräutchens Weh erkaltet,
Die Thräne abgewischt.

Und froh im frohen Reigen
Hüpft Alles rund um mich -
Hätt' ich ein Lieb treueigen
Wie spräng' so froh auch ich!

Will hin zum Liebchen eilen
Nochmal - zum letzten Mal!
Vielleicht mag es mich heilen
Von meiner Herzensqual!

IV.
Vergebens wars. - Sie hockte
Im warmen Nestchen schon,
Ein feistes Männlein lockte
Im Strauch nicht fern davon.

Ein Wiegenliedchen pfiff es,
Ich sah verblüfft darein!
Gar zärtlich strich und kniff es
Des Weibchens Wängelein.

Doch, als es mich erguckte,
Da frug es gleich um mich,
Das Weibchen aber zuckte,
Als träf' ihr Herz ein Stich.

Vom Wirbel bis zur Sohle
Dann prüfte sie mich sehr,
Erkannte, ach, die hohle
Gestalt schier nimmermehr.

Doch sprach sie schnell besonnen:
Der Kuckuck ist's, mein Mann,
So einst in Lenzes Wonnen
Mich wollt' zum Weiblein han!

Herr Kuckuck, kann ich dienen
Mit Brödlein und mit Bier?
Und reicht mit frommen Mienen
Die Gottesgäbchen mir. -

Um solche Leckerbissen,
Bin ich nicht kommen her! -
Ei, wer kann das gleich wissen?
Ruft er, sie spricht: Ja, wer!

Dann pfiff er wieder heiter
Sein Liedchen wie zuvor;
Und ich zog taum'lig weiter
Hinaus zum alten Thor.

V.
Verschmäht bin ich, verachtet
Das thut dem Herze weh!
Ihr lock're Bürschlein trachtet,
Daß es euch besser geh'!

Die euch jetzt traut umwindet
Und koset Aug' und Mund,
Wie sich kein Nest vorfindet,
Verläßt euch noch zur Stund'.

"Nestlein, Nestlein, Nestlein weich,
Nest im grünen Haine!
Bist der Töchter Himmelreich,
Muttertrost allein!"

Hätt' ich ein Nest erbauet,
Ich säße nicht allein,
Ich wäre längst befrauet
Und - hätte Kinderlein. -

"Kindlein, Kindlein, Kindlein klein,
Kindlein in der Wiegen!
Ach, wie muß das artig sein,
Wenn sie so im Schlummer liegen! -
Quicken, quacken, kränkeln, schrei'n,
Und wie muß das garstig sein,
Wenn sie so im Quarke liegen -
Kindlein, Kindlein, Kindlein klein,
Kindlein in der Wiegen!"

VI.
Steh' einsam und verlassen,
Bin nirgends fremd noch heim,
Kein Mensch frägt um die nassen,
Verweinten Augensäum'.

Kein Mensch frägt, wenn sich heiter
Einmal mein Blick verklärt,
Vorüber kalt und weiter
Des Marktes Rudel fährt.

Es kommen Jubelzeiten,
Es wüthet Krieg rundum,
Ich weiß von all den Streiten
Und Freuden kein Warum.

Des Frühlings Hochzeitstage
Erwecken mir allein
Erinnerung und Klage
Aus morschem Herzensschrein.

Doch heulet oft das Jammern
Des sel'gen Liebeslauf
Mir aus des Todes Kammern
Zugleich ins Leben auf -

Und Leid und Lust umschwärmet
Mich dann im bunten Tanz;
Da singt es, schrillt und lärmet,
Verwirrt den Sinn mir ganz.

Und treibt durch Nacht und Wälder
Im halben Wahnsinn mich,
Und drängt durch Flur und Felder
Mich herz- schmerzinniglich!

Wenn dann die Thierlein zagen
In wüster Waldesnacht,
Und scheu die Menschen fragen
In grüner Feldespracht:

Sag' an, was thut doch jagen
Herum so rastlos dich?
So ruf' ich: Ihr mögt fragen -?
Seht her, ich freue mich!

Und die, so ihr da schauet
Um mich, die luft'ge Schaar,
Das sind - doch wie, euch grauet
Vor - Freudengeistern gar?

Drauf fort und fort - nach wannen?
Das weiß ich nicht - -!

Collection: 
1855

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