Still fließt die Flut zu nächtlicher Stund',
Schauerlich gurgelt's am tiefen Grund,
Bleich scheint des Mondes Silberlicht;
Rausche nur, Woge, ich folge nicht.
Es steigt zu mir die Weise,
Die in die Fluten zieht,
Die Wellen singen leise
Ihr allberauschend Lied:
"Komme hernieder, hier nur ist Ruh,
All' Deine Leiden decken wir zu,
All' Deiner Liebe unsel'ge Glut,
Friede und Heimat birgt uns're Flut.
So neige Dich hernieder
Und teile unser Glück,
Es geben uns're Lieder
Dich selber Dir zurück."
Welle auf Welle naht sich vom Wald,
Schimmert und schmeichelt, schäumt und verhallt;
Nimmermehr folg ich! Das Leben ist mein,
Friede nicht such ich, frei will ich sein;
Ich selber im Gesange
Entfess'le meine Kraft
Und gebe Raum dem Drange
Der wilden Leidenschaft.
Ketten der Liebe fesseln mich nicht,
Da aus dem Liede Befreiung mir spricht;
Dein bin ich ewig! — Der Liebe Leid
Wird im Gesange zur Seligkeit.
Aus: Ilse Stach von Goltzheim
Wer kann dafür, daß seines Frühlings Lüfte weh’n! Gedichte
E. Piersons's Verlag, Dresden und Leipzig, 1898
_____