Für dich

Wie die Seele einst aus Gottes Schöpferhand
ungeteilt in ihrem Sein hervorgegangen,
wie ich schlummernd sie im Mutterschoß empfangen
und ihr gottgewolltes Urbild nicht gekannt,

so - nachdem des Lebens und des Leidens Macht
ihre reinen Kräfte teilte und zerstreute,
trennender Gewalten schon erles'ne Beute,
und der Kampf der Geister über ihr entfacht -

fühl ich selig, tief begnadet fühl ich nun,
die verlassne Einheit sich zusammenschließen,
alle Ströme meiner Seele sich ergießen,
um im Abgrund deiner Liebe fromm zu ruhn.

Aus: Ilse von Stach
"Wie Sturmwind fährt die Zeit"
Gedichte aus drei Jahrzehnten
Eingeleitet von Dr. Aloys Christof Wilsmann
Regensberg Münster 1948

Collection: 
1948

More from Poet

  • Es steht ein stiller Wald am Horizont,
    der schweigt, wenn ihn des Abends Schwingen decken,
    und schweigt, wenn ihn der Morgen übersonnt,
    und kann doch Nacht und Tages Träume wecken.

    Er ist es, der den Weg zu dir verhüllt,
    daß...

  • Liebes Herz, nun gib dich drein;
    linde, ach, und düfteschwer
    zieht die Juninacht einher,
    will durchaus empfunden sein.

    Dulde und gedulde dich.
    Trag die sommersüße Last,
    wie du viel getragen hast.
    Denke,...

  • Blaue nachtgewebte Schleier
    wallen um mein stilles Haus.
    Horch, des Abends holde Feier
    klingt in deinen Namen aus.

    Mond und Sterne, die da blinken,
    heißen du und alles du.
    Könnt ich so in dich versinken
    ...

  • Und Tage sind, wo alle Sehnsucht schweigt.
    Und ob ich ganze Nächte schlaflos lausche,
    daß sie vom Herzen mir entgegenrausche,
    mir klingt kein Ton, der aus der Tiefe steigt.

    Komm, süße Sehnsucht, komm zu meiner Qual!
    Du bist...

  • Nun hab ich dich zum ersten Mal gesehn,
    und ungerührt im Herzen, ungebunden,
    als hätt' ich deinen Zauber nie empfunden,
    sah ich dich von der Ferne vor mir stehn. -

    O Gott, ich bitte nicht um Gunst und Glück,
    das ich für bittre...