Herbstesglanz

O köstlich Leuchten des Oktobertages!
Wie Gold und Purpur glüht der Bergeshang,
Ein Farbenwunder jeder Baum des Hains,
Wie es dem besten Künstler nur gelang.
Ein duft'ger Schleier hüllet weich die Ferne;
Die Saale windet sich im Thal entlang,
Auf ihrer Fläche blinkt's wie Silbersterne;
Bis hier herauf tönt ihres Wehres Rauschen,
In Waldeseinsamkeit wie mag ich gerne
Dem ewiggleichen Wellenliede lauschen!
Nicht möcht' ich jetzt mit fürstlichem Palaste
Den stein'gen Sitz am Bergeshange tauschen,
Wo ich so weltvergessend friedlich raste.
Ein linder Lufthauch wehet in den Bäumen
Und raschelt leis am halbentlaubten Aste,
Ein letzter Seufzer ist's des schon in Träumen
Versunk'nen Waldes, der den Winter ahnt.
Die schlichten Blümchen, die ihn zierlich säumen,
Erfreuten mich, als ich mir Weg gebahnt
Durch dürres Laub, das unter meinen Füßen
Dumpfrauschend an vergang'ne Wonne mahnt.
Als es noch grün, lauscht' ich der Hoffnung Grüßen,
Noch einmal glaubt' an Jugend ich und Glück,
Doch mußte schwer den kurzen Traum ich büßen,
Von meinem Herzen brach damit ein Stück,
Der Freude Becher brach in meinen Händen,
Die bittre Hefe nur blieb drin zurück.
Doch groll' ich nicht, es mußte so sich wenden,
Wie schwer es war, will ich doch nicht mehr klagen;
Ich wußte ja, mein Sommer mußte enden,
Der schönen Jugend muß Valet ich sagen;
Mir wie dem Walde ist der Herbst gekommen,
O könnte ich wie er als Schmuck ihn tragen!
So prächtig ist noch einmal er entglommen,
Sein Herzblut sieht er stille lächelnd rinnen,
Das Sonnenglut gegeben und genommen.
Des Sommers zarte Silberfäden spinnen,
Wehmüt'ge Zier dem Liebling noch im Scheiden,
So lichten Schleier, wie einst beim Beginnen,
Als woll'ge Kätzchen sproßten an den Weiden.
Es strahlt der Himmel in azurner Bläue,
Als wollt' er zeigen, daß trotz Sturm und Leiden
Er stehen bleibt in klarer fester Treue,
Auf daß er, wenn der Winter hingeschwunden,
Im neuen Lenz die alte Lust erneue.
Hab' ich auch mir nicht solchen Trost gefunden,
Will ich doch in den Zauber mich versenken
Der Waldesruh' in diesen stillen Stunden,
Vergang'ner nicht noch künft'ger Stürme denken.

Collection: 
1859

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