Die Verlassene

O Mutter, ich hab's nicht geglaubt,
Als Du ihn falsch genannt,
Nun beug' ich demutvoll mein Haupt
Auf Deine teure Hand.

O zürne nicht, daß Deine Lieb'
Um seine ich vergaß,
Weil ihn, zu dem mein Herz mich trieb,
Nach meiner Lieb' ich maß.

Ich litt um ihn, ich sorgt' um ihn
So manches lange Jahr,
Nun fühl' ich all mein Denken flieh'n,
Das so vergebens war.

Mir ist, als bräch' die ganze Welt
Zusammen unter mir,
Wie Lieb' und Treu' zusammenfällt,
Zerbricht mein Herze schier.

O Mutter, wenn das Herz mir bricht
In Gram und bittrer Reu',
Verläßt doch Du, nur Du mich nicht,
Nur Mutterlieb' ist treu!

Collection: 
1859

More from Poet

  • Der Schnee deckt die Erde, 's ist dunkel und kalt,
    Der Wintersturm brauset und schüttelt den Wald,
    Er peitschet die Wolken am Monde vorüber,
    Und schneller nun kommen sie, trübe und trüber.
    "Willkommen mir, Finsternis, Stürme und Schnee,...

  • O köstlich Leuchten des Oktobertages!
    Wie Gold und Purpur glüht der Bergeshang,
    Ein Farbenwunder jeder Baum des Hains,
    Wie es dem besten Künstler nur gelang.
    Ein duft'ger Schleier hüllet weich die Ferne;
    Die Saale windet sich im...

  • O Mutter, ich hab's nicht geglaubt,
    Als Du ihn falsch genannt,
    Nun beug' ich demutvoll mein Haupt
    Auf Deine teure Hand.

    O zürne nicht, daß Deine Lieb'
    Um seine ich vergaß,
    Weil ihn, zu dem mein Herz mich trieb,...

  • Wie ich Dich liebe, möcht' ich gern Dir sagen,
    Wie all mein Denken Dir sich muß verbinden,
    Zum schönen Kranze möcht' ich für Dich winden
    Mein süßes Glück und meine stillen Klagen.

    Doch was ich auch ersann, fühl' ich entschwinden,...