Erbarme dich / du schönheit dieser welt /

Erbarme dich / du schönheit dieser welt /
Und nimm von mir die fessel meiner seelen!
Wenn stahl und eiß die brust umschlossen hält /
Durch sclaverey mich auff den todt zu qvälen /
So dencke doch / der ursprung meiner noth
Ist schon der tod.

Ist schon der tod ein opffer deiner lust /
Und soll mein herz in heisser glut verbrennen;
So wollst du nur die alabaster-brust
Zu guter letzt mir zum altare gönnen.
Denn ein altar zum opffern muß ja seyn
Ein harter stein.

Ein harter stein wird durch die tropffen weich:
Mein auge läst auch ganze ströme rinnen;
Jedoch umsonst. Wem bist du endlich gleich?
Erweicht nur blut die diamantnen sinnen?
So kühle dann darinnen deinen muth /
Hier ist mein blut.

Hier ist mein blut / das treu und liebe weyht /
Die mich zuerst in sclaverey gestürzet.
Was brachte mich um meine güldne zeit?
Wer hat den weg der freyheit abgekürzet?
Der rauber war / ach daß ichs sagen muß!
Ein einzger kuß.

Ein einzger kuß legt mir die ketten an /
So kan mich auch ein kuß davon entbinden.
Wiewohl der wunsch ist ganz umsonst gethan /
Mein seuffzer soll in tauber lufft verschwinden.
So muß mein herz mit doppelt schwerer pein
Gestraffet seyn.

Gestraffet seyn / und ohne missethat /
Wird auch kein gott vor recht und billig sprechen.
Doch weiß ich nicht / wer mich gestraffet hat;
Vielleicht will sich der himmel an mir rächen.
Das macht / du warst / und mehr als er / zugleich
Mein himmelreich.

Mein himmelreich wird mir zur höllen-pein.
Ich soll und muß / ich will auch nur verderben;
Die freyheit wird in meinem grabe seyn;
Drum will ich gern als sclave grausam sterben.
Mein herz giebt nur den seuffzer noch von sich:
Erbarme dich!
(Theil 1 S. 412-414)

Collection: 
1709

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