Anklage

Daß lieblich du erheiterst meine Tage,
Ich muß es dir, mein artig Mädchen, lassen.
Du streuest reich auf meine Lebensstrassen
Die schönsten Blümchen - was ich redlich sage.

Doch Eines treibt mich stets zu neuer Klage:
Daß du mich abhältst, Großes anzufassen
Und aufzubaun ein Werk, das wie die Massen
Des deutschen Münsters in die Wolken rage.

Wie hegt' ich nicht Gewaltiges im Sinne!
Schon sah ich stehn die Bilder ohne Gleichen
Zu aller Welt Erweckung und Gewinne.

Nun kann kein einziges den Tag erreichen
Vor tändelnden Geschäften unsrer Minne,
Vor Blick und Kuß und andern Kinderstreichen.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857

Collection: 
1857

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  • Daß lieblich du erheiterst meine Tage,
    Ich muß es dir, mein artig Mädchen, lassen.
    Du streuest reich auf meine Lebensstrassen
    Die schönsten Blümchen - was ich redlich sage.

    Doch Eines treibt mich stets zu neuer Klage:
    Daß du...

  • 1.
    (Variation eines Goethe'schen Liedes)
    Wenn nach hellem, frohen Tage
    Dämmerung im Stübchen fließt,
    Da geschieht es, daß auf einmal
    Sich ein Schmerz in mich ergießt.

    Und ich fühle, wie das Bangen...

  • Wollt's Lieben wohl lassen,
    Wollt' küssen nit mehr,
    Wenn's nur nit von allem
    Das Schönste grad wär.
    _

    Könntst du nur mein Schätzel
    Ein einzigsmal sehn,
    Du thätst nix mehr sagen
    Und ließest mi...

  • Er sitzt bei meiner Liebsten dort
    In unbefangnem Scherz,
    Die Worte fließen munter fort
    Und ruhig schlägt sein Herz.

    Ich weile still alleine hier,
    Von ferne seh' ich hin,
    Und ach die süßeste Begier
    ...

  • Die Menschen lassen eisigkalt
    Durch ihre Reih'n mich wandeln,
    Für sich nur sorget Jung und Alt
    In eigensücht'gem Handeln.

    Und nur zu bitterm Zank und Streit
    Die Andern sich bemühen.
    Der Liebe wird Gehässigkeit...