Ich liebte mein Mädchen wohl lange Zeit,
Sie hatte mir Sinn und Herz erfreut,
Allein bei all der Liebeslust
War mir ihr Werth doch wenig bewußt.
Wohl war es mir süß und gar so schön,
Zum Liebchen wieder und wieder zu gehn.
Doch meint' ich zuletzt, es müßt' so sein,
Und liebte nur so in den Tag hinein.
Da hört ich einmal in fremdem Kreis
Viel rühmen und reden zu ihrem Preis.
Wie hoch sie wurde von Andern verehrt,
Vernahm ich daselbst, und wie herzlich begehrt.
Mir ward es wie ein Tag um's Angesicht,
Sie stand vor mir in goldnem Licht.
"Der Jeder ergeben in diesem Verein,
Die Allgefeierte, die ist dein?"
Nie sehnt' ich so innig nach ihr mich zurück,
So herrlich fühlt' ich nie mein Glück.
Doch wob sich mir alles zu Räthsel und Traum:
Daß mein die Theure, das glaubt' ich kaum!
Ich eilte zurück in das trauliche Haus,
Es sah mir Alles so festlich aus!
Und als sie mich faßte so schmeichelnd warm,
War's mir, eine Himmlische hielt' ich im Arm!
Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857