Liebesglück

O ich erfuhr so hohe Lust
Und darf es niemand sagen;
Und ach, die wonnebange Brust
Kann es allein nicht tragen!

Ich schlich mich heimlich in ihr Haus,
Es war im Abendscheine,
Die andern saßen froh beim Schmaus,
Sie harrt' auf mich alleine.

Ich herzte sie, sie herzte mich,
Sie ruht' an mir so feste!
So zärtlich und so inniglich
Liebkoste mich die Beste!

Und weil es heimlich nur geschah,
War doppelt unsre Freude.
Doch ach, die Trennung war so nah',
Die Lust so nah dem Leide! -

Wie gern entleert' ich nun mein Herz!
Doch darf es Keiner wissen;
Denn hier versteht ja niemand Scherz,
Zu tadeln nur beflissen.

Was wäre das für ein Geschrei,
Wie müßten wir's entgelten!
Ist gleich ein jeder auch so frei,
Die Andern will er schelten.

O Muse, du erbarme dich
Und nimm die Last vom Herzen!
Nimm, Hohe, sonst erdrücken mich
Die süßen Liebesschmerzen!

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857

Collection: 
1857

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