Lied der Liebe

 
Durch Fichten am Hügel, durch Erlen am Bach,
Folgt immer dein Bildnis, du Traute! mir nach.
Es lächelt bald Wehmuth, es lächelt bald Ruh',
Im freundlichen Schimmer des Mondes mir zu.

Den Rosengesträuchen des Gartens entwallt
Im Glanze der Frühe die holde Gestalt;
Sie schwebt aus der Berge bepurpurtem Flor
Gleich einsam elysischen Schatten hervor.

Oft hab' ich, im Traume, als die schönste der Feen,
Auf goldenem Throne dich strahlen gesehn;
Oft hab' ich, zum hohen Olympus entzückt,
Als Hebe dich unter den Göttern erblickt.

Mir hallt aus den Tiefen, mir hallt von den Höhn,
Dein himmlischer Name wie Sphärengetön.
Ich wähne den Hauch, der die Blüten umwebt
Von deiner melodischen Stimme durchbebt.

In heiliger Mitternachtsstunde durchkreist
Des Äthers Gefilde mein ahnender Geist.
Geliebte! dort winkt uns ein Land, wo der Freund
Auf ewig der Freundin sich wieder vereint.

Die Freude sie schwindet, es dauert kein Leid;
Die Jahre verrauschen im Strome der Zeit;
Die Sonne wird sterben, die Erde vergehn:
Doch Liebe muß ewig und ewig bestehn.

aus: Gedichte von Friedrich von Matthisson
Fünfzehnte Auflage Zürich
bei Orell Füßli und Comp. 1851

Collection: 
1815

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