Julius an Theone

 
Nimmer, nimmer darf ich dir gestehen,
Was beim ersten Drucke deiner Hand,
Süße Zauberin, mein Herz empfand!
Meiner Einsamkeit verborg'nes Flehen,
Mein Seufzer wird der Sturm verwehen,
Meine Tränen werden ungesehen
Deinem Bilde rinnen, bis die Gruft
Mich in ihr verschwieg'nes Dunkel ruft.

Ach! du schautest mir so unbefangen,
So voll Engelunschuld ins Gesicht,
Wähntest den Triumph der Schönheit nicht!
O Theone! sahst du nicht den bangen
Blick der Liebe an deinen Blicken hangen?
Schimmerte die Röte meiner Wangen
Dir nicht Ahnung der verlornen Ruh

Meines hoffnungslosen Herzens zu?
Daß uns Meere doch geschieden hätten
Nach dem ersten leisen Druck der Hand!
Schaudernd wank' ich nun am Rand
Eines Abgrunds, wo auf Dornenbetten,
Tränenlos, mit diamantnen Ketten,
Die Verzweiflung lauscht! Ha! mich zu retten
Holde Feindin meines Friedens, beut
Mir die Schale der Vergessenheit!

aus: Friedrich von Matthissons
Sämmtliche Werke Erster Band
Enthält: Gedichte Erster Theil
Wien 1815

Collection: 
1815

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