Liebesduett

Zweiundzwanzig Elegien
(Berlin 1834)

1. Der Gefangene
Weckt mich nicht aus meinen Träumen,
Ach! der Schlummer ist so süß!
Und in goldgewirkten Säumen
Wogt und webt mein Paradies.

Was ich weiß, - ich will's nicht wissen,
Was ich glaub', ist Seligkeit,
Und die Täuschung zu vermissen
Wär' mein tiefstes Herzeleid.

Nicht den Augen will ich trauen,
Dämmerlicht ist wundersüß;
Nicht in's Helle mag ich schauen:
Laßt mich still im Burgverließ.

Goldumsponnene Gitterstäbe
Schmücken meine Kerkerwand,
An dem Fenster schmiegt die Rebe
Sich hinauf zum Dachesrand.

Seht! so sitz' ich hier im Dunkeln,
Selbst den Himmel schau' ich nicht;
Aber Sterne seh' ich funkeln,
Und ich fühle Glanz und Licht.

Wenn sich meine Augen schließen,
Seh' ich nur ihr sanftes Bild;
Duft und Dämmerung umfließen
Meine Seele warm und mild.

2. Stille und Bewegung
Der Gesträuche Balsamfluthen
Wogten durch die Gartenflur,
In der Sonne dunklen Gluthen
Schwamm und bebte die Natur.

Tief betäubt von würz'gen Düften
Hängt der Kelch der Blume schwer,
In den angstbeklommnen Lüften
Regt kein Athem sich umher.

Müde von dem Sonnenwege,
Der sich nach dem Walde bog,
Standen wir im Laubgehäge,
Das die Wölbung um uns zog.

Und sie saß im grünen Schatten,
Der nur wenig Kühlung gab,
Und die brennend heißen Matten
Schwiegen wie ein tiefes Grab.

Alles still. Auch mir im Herzen
Wogte stumm ein Feuerbrand,
Ob in Lust, und ob in Schmerzen,
War mir selber unbekannt.

"Himmel! welche Todtenstille
Drückt uns, sprach sie, denn so schwer!
Mitten in des Reichthums Fülle
Scheint die Welt mir plötzlich leer!"

Und sie sprang und hüpft' und lachte
Jubelnd in den Wald hinein,
Bis das Echo rings erwachte
Fern wie stille Bergschalmei'n.

Wo sie hinflog, wogte Regung,
Und ich haschte sie im Lauf;
Eine bebende Bewegung
Taucht' in allen Blumen auf.

Und die Geister in den Blüthen
Gaukelten aus ihrem Traum,
Und die Abendstrahlen glühten
Sanfter von dem Bergessaum.

3. Erstes Duo
"Sag', was willst du, guter Schäfer?"
Sprach sie und entwand sich mir.
"Und gesteh' es, stiller Schläfer,
Wachst du oder träumst du hier?"

"Laß mich bei des Abends Schwühle,
Deine Hand ist brennend heiß:
Warte bis zur Morgenkühle, -
Weiß ich doch schon was ich weiß!"

""Du nur kannst die Gluth verscheuchen,
Lindern meiner Seele Pein!
Willst Du mir die Hand nicht reichen:
Gönne mir's, Dir nah zu sein.

Schneeweiß glänzen Deine Flügel,
Täubchenzartes Mädchenbild!
Wie der Wind vom Morgenhügel
Bebt Dein Athem frisch und mild.""

4. Ueberraschung
Und sie bot der duft'gen Wangen
Zarten, pfirsichweichen Flaum,
Und im drängenden Verlangen
Stand ich zitternd wie im Traum.

Ach! sie bot worum ich flehte,
Ihrer Huld beglückte Lust:
Plötzlich wie der Frühling wehte
Mir ihr Hauch aus tiefster Brust.

Kühlste Stille im Gemüthe -
Und nun plötzlich Hocherguß!
Und der Lippen Kirschenblüthe
Wölbte sich zum Wonnekuß.

Warum zittern, warum beben?
Liebeshuld ist kurz und süß:
Wem's die Götter plötzlich geben,
Schaut das schönste Paradies.

Ach! ich sann und konnt's nicht fassen,
Daß das ferne Glück so nah, -
Und im tödtlichen Erblassen
Saß ich wie ein Bildniß da.

Meine Pulse hielten stille,
Und der Athem stockte tief,
Meiner Seele regste Fülle -
War es doch als wenn sie schlief.

Und sie bog sich rasch von hinnen,
Und ihr Lächeln wurde Schmerz,
Eine Perle sah ich rinnen,
Und geschlossen war ihr Herz.

Ihre Perle lockte Fluthen
Mir aus der erwachten Brust:
Alle Bäche, die da ruhten,
Quollen auf zur Liebeslust.

Stürzt' ich auch zu ihren Füßen,
Ach! sie wandte still sich ab: -
Soll ich denn nun ewig büßen -
Ewig bis zum stummen Grab?

5. Abendfeier
Wir saßen vom Laubdach tief umschirmt,
Der Himmel war rings von Wolken umthürmt,
Der Mond, er drückte die Augen zu:
Wir wünschten ihm 'ne gute Ruh.

Und mußte das Dunkel uns so umfließen,
So durften die Herzen sich frei ergießen:
Da haben wir manches uns gesagt;
Im Sonnenschein hätt' ich's nicht gewagt.

Es rollten die Locken vom schönen Haupt;
Wie ein Rosenbusch saß sie reich umlaubt.
Und wie ich geküßt die dunklen Locken,
Da wollt' es mich weiter noch verlocken!

Der Stern des Auges hält streng Gericht;
Doch ich schaute nicht mehr ihr Augenlicht.
Ich hörte der Nachtigall süßes Flöten -
Ich sah nicht mehr ihr stilles Erröthen.

6. Duo
Ach! Du schaust mir in die tiefste Seele;
Sag mir, Holde, was erspäht Dein Blick?
Sahst Du meine Tugend, meine Fehle -
Nimm was drinnen ist und gieb's zurück.

"O! ich sehe nur ein gährend Feuer;
Mensch, Du bist nicht fromm, bist jäh und wild
Tief im Innern ist Dir's nicht geheuer,
Deiner Wünsche Maß ist unerfüllt."

Laß mich, Holde, drum noch länger schauen,
Gönne mir Dein süßes Sternenlicht,
Das der dunklen Nacht geheimstes Grauen
Mit dem Strahl der Gnade still durchbricht.

"Weh, Du Mann, vor Deinem dunklen Blicke
Löst sich mir ein feuchter Thränenthau.
Ach! in unsrem trauten Liebesglücke
Wölbt sich uns der Himmel nicht mehr blau."

Laß uns doch die tiefste Nacht umdunkeln,
Wo nur Liebesschmerz und Kummer wohnt;
Wird kein Himmelsstern uns mehr umfunkeln,
Wandelt doch Dein Auge drin als Mond.

"Dunkler Mann, ich sah Dich nimmer lächeln,
Ist Dir ewiger Schmerz so eng vertraut?
Sprichst mir ja, daß Engel Dich umfächeln,
Und doch wird die Freude niemals laut!"

Schau mir nur bis in mein tiefstes Leben,
Gönne mir's, und halte treu und fest,
Alles Nachtgeflügel wird entschweben,
Wenn Du Deine Sterne leuchten läßt.

7. Sprach sie zu mir:
Nein, Du darfst Dich nicht anklagen,
Du bist ewig warm und gut.
Meine Küsse dürfen's sagen,
Daß in Dir mein Himmel ruht.

Bist Dein eigener Verräther,
Wenn die Lust durch Schmerzen bricht:
Hinter dem umwölkten Aether
Lacht der Sonne treues Licht.

Nein, ich kenne Dich im Glücke,
Kenne Dich im tiefsten Harm,
Und ich weiche nicht zurücke
Vor der Nachtgespenster Schwarm.

Deine dunkelsten Ergüsse
Waren lieb und treu und gut,
Deine fieberhaften Küsse
Brannten eine ewige Gluth.

Zieh in Zweifel meine Scherze,
Ob es nicht blos Täuschung war;
Aber trau' dem düstern Schmerze:
Schwermuth spricht nur treu und wahr.

8. Sprach ich wieder zu ihr:
Weib, Du kennst ja alle Mächte,
Alle Träume rufst Du wach,
Und die Wunder dunkler Nächte
Wechseln mit dem lichten Tag.

O so laß mit Wechseltönen
Heilig süßer Melodien,
Um die Welten zu versöhnen,
Uns durch's weite Leben zieh'n.

Alle Sphären zu durchfliegen,
Wundersamster Hochgenuß!
Streiten, sühnen - kämpfen, siegen, -
Ewiger Fried' im ewigen Kuß!

9. Unisono
Ich bin nicht ich mehr, wenn ich Dich erblicke,
Du bist nicht Du mehr, schaust Du mir in's Herz,
Und ach! in diesem süßen Wechselglücke
Zerfliegt die stille Seele himmelwärts.

Im Rausch der Liebe zähl' ich keine Stunden,
Im Rausch der Seele giebt es keinen Raum.
Vergangenheit und Zukunft sind verbunden,
Und Alles, selbst die Gegenwart, ist Traum.

Und ist es aus mit unsrem Traumesleben,
Auch jenseits finden wir nicht Raum noch Zeit,
Kein Ich, kein Du, - in Gottes Schooß entschweben
Wir alle still in alle Ewigkeit.

Dort werden wir uns bald zurechte finden:
Wir wissen hier schon wie das All zerfließt,
Und wie die Leuchten dieser Welt erblinden,
Wenn sich das Herz dem Herzen tief erschließt.

10. Auferstehung
All dies göttergleiche Leben,
Diese himmelstrunkne Lust,
Meiner Fibern heilig Leben,
Sonn' und Mond in tiefster Brust -

Meiner Wangen Glanzerröthen,
Meine Stirn so licht, so hell,
Meiner Seufzer leises Flöten,
Meiner Thränen Freudenquell -

Sprich, gabst Du mir alles dieses,
Maßest Du so reich, so voll?
Krone meines Paradieses,
Dir gebührt des Dankes Zoll.

Alle meine Geister schwiegen
Tief im Busen starr und todt:
Ich bin aus mir selbst gestiegen
Frei zum lichten Morgenroth.

Meine Kerker sind entriegelt:
Stumm sinkt meine Nacht hinab,
Meine Seele ist beflügelt
Und erlöst aus ihrem Grab.

Christus ist mir auferstanden,
Wie er stieg zum Himmelszelt,
Und aus meinen dumpfen Banden
Schweb' ich frei durch alle Welt.

11. Metamorphose
Sprach sie dagegen:
Auch mir hast Du den Erlöser gebracht;
Meine Seele lag tief in der Wiege,
Das Kind schlief still, - nun ist es erwacht,
Nun kennt es die Himmelsstiege.

Wir steigen wohl auf und niederwärts
Durch aller Welten Räume,
Es jubelt und weint und lacht das Herz
Und macht sich bunte Träume.

Es blieb der Traum, obschon ich erwacht -
Wir wachen - und träumen doch immer;
Es schwand die Sabbathstille der Nacht
Mit ihrem Friedensschimmer.

Es zogen wohl Schmerzen in meine Brust,
Und früher kannt' ich nur Freuden,
Und doch! wer tauscht nicht für stumme Lust
Der Liebe geschwätzige Leiden!

12. Mußt' ich wieder reden:
O wundersamer Liebesrausch,
Wer faßt dein geheimstes Leben?
Unnennbar süßer Seelentausch,
Wie deine Zauber weben!

Du gabst Dich mir, ich gab mich Dir
Im Wechselspiel der Liebe,
Daß Lust und Leid nun für und für
In ewiger Eintracht bliebe.

Es brach Dein stiller Kindertraum
Vor meinem Schmerz zusammen,
Und unsrer Freude Weihnachtsbaum
Steht doch in hellen Flammen.

13. Ziel des Lebens
Alles strebt zum hellen Lichte
Und sinkt dann in seine Nacht,
Das Geschehene zum Gedichte:
Das ist seine Zaubermacht.

Was nicht Lied wird und Gedanke,
Wuchert hin und wuchert her;
Wie es sich auch mühsam ranke:
Eignes Sein erringt es schwer.

Aus des Chaos dunkler Gährung
Ringen sich die Stoffe los,
Und zur seligsten Verklärung
Lockt der Liebe süßer Schooß.

Alles sehnt sich zum Genusse,
Das ist alles Strebens Ziel,
Und im innigsten Ergusse
Stirbt der Seele Dranggefühl.

Schwäne zieh'n im ruhigen Gleise
Sanft vermählt und sehnsuchtsstill,
Und die Woge schmiegt sich leise,
Wunderseltsam tief und still.

Lauschend schweigt der Winde Kosen,
Bebend liegt die Welt im Traum,
Dunkler röthen sich die Rosen,
Und die Espe zittert kaum.

Ist das Freude? ist das Trauer? -
Schweig, ich weiß es selber nicht;
Das ist Liebesandachtschauer,
Das, Natur, ist dein Gedicht.

14. Sprach sie zu mir:
Laß mich zittern, laß mich beben,
Aber zweifle länger nicht,
Daß ich mein geheimstes Leben
Dir geweiht zu süßer Pflicht.

Lippen, Herz und Mund und Wangen,
Und der Seele tiefster Schooß -
Eint mit Dir sich im Verlangen;
Dich zu lieben ist mein Loos.

Deine Zweifel können tödten -
Und doch wär' ich sterbend Dein:
Sieht die Nacht nicht mein Erröthen,
Kann ich frei und offen sein.

Du zerstörst mir meinen Himmel,
Mühst Dich selbst in bittrer Qual, -
Jage fort Dein Angstgewimmel,
Sei doch fromm und still zumal!

Küss' ich Dich, so muß ich zittern,
Denn Dein Athem glüht und bebt:
Warum soll es denn gewittern,
Wenn die Sonn' uns hell umschwebt?

Nasche doch vom Glück der Stunden,
Zukunft liegt mir viel zu weit:
Als ich Dich, Du mich gefunden,
Der Moment hat Ewigkeit.

15. Nachtgeheimniß
Andächtig lauschend, sinnend still versunken,
Als wenn ein ferner Geisterton mich rief,
Hab' ich am Liebesurquell tief getrunken,
Berauscht, betäubt, als wenn die Seele schlief.

Geheimnißvolles Licht! dein Sterngefunkel,
Ich sah es wogen leis' im Dämmerschein.
Es war mir hell im nächtlich stillen Dunkel,
Ein süßer Schauer floß durch mein Gebein.

So sind die Schranken alle denn entriegelt,
In's Bad des Lebens taucht' ich wonnescheu,
Der Räthsel räthselvollstes liegt entsiegelt,
Ein altes Wunder und doch ewig neu.

Ich glaubte sonst, die Welt sei dumpf verschwiegen:
Nun hat sie ihr Geheimstes ausgehaucht;
Den Schooß des Daseins seh' ich offen liegen,
In den sich meine Seele tief getaucht.

Nun weiß ich, was den Lauf der Sterne zügelt:
O süß Empfängniß, heilig, wunderbar!
Nun weiß ich, wie zur Brautnacht still beflügelt
Gott und Natur verschmilzt auf immerdar.

16. Beschämung
Wer hat die Lippen Dir entbunden?
Was sprichst Du aus, Du dunkler Mann!
Was ziehst Du unsre Weihestunden
Zum lichten Tag der Welt heran?

Das ist sonst ungesagt geblieben;
Selbst denken sollst Du's nicht einmal.
Ach Himmel! einen Dichter lieben,
Welch' namenlose Herzensqual!

17. Vorschlag
Laß mich reden, dumpfes Schweigen
Sprengt des Herzens enge Kluft;
Willst Du mir Dein Ohr nicht neigen,
Schrei' ich's durch die weite Luft. -

Aber ach! sie senkt die Wimper,
Nimmt die Zither, schmollt und lauscht:
Mach' Dir doch ein still Geklimper,
Wenn mein Lied zu üppig rauscht.

Klimpre Du auf Deiner Leier,
Und ich singe laut und voll;
Das ist doppelt hohe Feier -
Hält uns auch die Welt für toll.

18. Ewig?
Ich soll's beschwören, ernstlich sagen,
Ob unser Glück ein ewiges sei?
O Faust, o Faust, mit Deinen Fragen,
Mit Deiner Spürkraft Grübelei!

Soll denn die Rose ewig blühen
Sie reift nur für den Augenblick,
Und wenn die Winde herbstlich ziehen,
So bleicht sie still und sinkt zurück.

Sie fragt gar nicht nach Blüthendauer,
Selbst sterbend schwimmt sie im Genuß;
In der Erinnerung süßem Schauer
Da fühlt sie noch der Biene Kuß.

Fühlt noch des Schmetterlinges Kosen,
Wenn Blatt und Blume schon verbleicht:
Das ist das Schicksal aller Rosen -
Und Liebe hat nie mehr erreicht.

19. Höchstes Glück
Nenne mir der Augenblicke
Seligsten im Liebesharm!
Denk' an alle Zeit zurücke,
Wo wir ruhten Arm in Arm.

Welcher aller Hochgenüsse
Mag für uns der schönste sein?
War's der Wirbelhauch der Küsse?
War's der Sehnsucht Wonnepein?

War's, wie Du zum ersten Male
Mir in's tiefste Herz geschaut?
Oder mit dem Augenstrahle
Mir Dein Seelenglück vertraut?

War's, wenn unsre Adern glühten?
Oder in der Zweifel Noth,
Ob die Augenblitze sprühten
Leben oder Liebestod?

War's, als durch den Thränenschleier
Sich Dein Blick in Wehmuth brach?
War's die heilig dunkle Feier,
Als die Nacht still um uns lag?

O du tief geheimstes Beben!
Ich durchschwelgte all' dein Glück,
Aber Eins im Liebesleben
Kehrte niemals mir zurück.

Als Du gabst warum ich flehte,
Stiller Blicke Zauberlicht,
Keuscher Morgenathem wehte
Um Dein schüchtern Angesicht.

Zitternd reichtest Du die Lippen,
Erster Regung Stillgenuß -
Ach! es war nur scheues Nippen,
Reinster Liebe erster Kuß.

20. Da sprach sie unwillig:
O du undankbarer Wähler,
Der die Blüthe sich zerpflückt,
Und sich selbst ein ewiger Quäler
Seinen Liebestraum zerstückt!

Du - mit Deinem trunknen Herzen
Hast den Morgenthau verscheucht,
Der in spielerischen Scherzen
Uns die Knospe still gereicht.

Deine flügelschnellen Küsse,
Deiner Worte glüh'nder Wein,
Deiner Seele Fluthergüsse,
Deine drängend heiße Pein -

Das sind alle die Verräther,
Die Dein Erstlingsglück zerstört
Und den frischen Morgenäther
In den schwühlen Tag verkehrt.

Ach! vom jungen Morgenhügel
Siehst Du auf die Lerche zieh'n,
Aber matt senkt sie die Flügel,
Fängt der Himmel an zu glüh'n.

Schnell verstummt sind ihre Lieder,
Und sie taumelt niederwärts; -
Ach! so klammert mein Gefieder
Matt und krank sich an Dein Herz!

21. Lebe wohl!
Ich kann es länger nicht verhehlen -
Ja, wer die Wahl, hat auch die Qual,
Und dennoch will auch ich nun wählen
Die liebste Speis' am Liebesmahl.

Ist Liebe reicher als das Leben? -
Ach! Leben zieht sich lang und weit,
Und Alles möcht' in Einem geben
Der Liebe Lust und Herzeleid.

Die Liebe engt die fernsten Weiten,
Wie sie das Nächste tröstlich dehnt;
In Einem Blick ruh'n Seligkeiten,
Die Du auf Erden nie gewähnt.

Was zart und groß, was fromm und düster,
Und was das Leben bunt umspielt,
Das wird in Einem Kußgeflüster
Der tiefsten Liebe durchgefühlt.

Nun denn, ihr süßen Liebesflammen,
Der Welt verborgen, still und scheu,
Ich fass' euch alle noch zusammen,
Ich fühl' euch alle ewig neu.

Und ob ich nun auch weinend scheide,
Doch schmeck' ich wie im ersten Glück
All meines Herzens Leid und Freude
Im letzten Kuß, im letzten Blick.

22. Der lyrische Dichter
Schlußgedicht
Er singt sich selbst, er giebt sich hin -
Und wär' auch Höll' und Himmel drin.

Er gab es was er heimlich barg:
Nun sitzt er stumm, nun sitzt er karg.

Ach! mit der Liebe starb sein Lied,
Ein kurzer Lenz hat ihm geblüht!

O furchtbar Loos: der Dichter ist todt,
Der Mensch ist immer noch frisch und roth.

O Nacht, Nacht! wende dich bald zurück,
O Leben! wiege sein dunkel Geschick.

Ach! innen todt und außen blind,
Er tappt umher, ein greises Kind!

Er hat die Ewigkeit geschaut:
Drum sind ihm alle Farben ergraut.

Er war im Glück ein Feuermeer,
Nun ist sein Hirn verbrannt und leer.

Er war im Glück ein Flammenstrahl,
Er schwelgte an der Götter Mahl:

Und nun - wer liebt, wer duldet ihn hier?
Er wankt, ein Bettler, von Thür zu Thür. -

Erbarmer der Welt, errette mich:
Ich lebte, liebte, litt für dich!

Collection: 
1862

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