An H.
I.
Bist Du Fisch mehr oder Blume,
Vogel oder Traumgestalt?
Bild in Gottes Heiligthume,
Oder Quell im stillen Wald?
Flatternd hängst Du mir am Herzen,
Trinkst mein warmes Lebensblut,
Singst und springst in tausend Scherzen,
Wandelst Dich in Fluth und Gluth.
Summst als Biene mir im Hirne,
Flötest mir als Nachtigall,
Schwingst Dich unter die Gestirne,
Bist mir nah und fern im All.
Heimlich still jetzt, treu geborgen,
Plötzlich wieder himmelweit, -
Machst mir tausend süße Sorgen,
Traumgestalt voll Wirklichkeit.
II.
Bleib nur still an meinem Busen hangen,
Glück und Schweigen sind sich hold,
Sagt Dein Blick doch alle Dein Verlangen,
Red' ist Silber, Schweigen Gold.
Sei das Herz Du, ich der Kopf, die Sinne,
Du die Seele, ich der Geist.
So Ein Leib zu doppeltem Gewinne,
Eine Welt, die mächtig kreis't.
Träumst Du, Herz, so deut' ich Deine Träume,
Dein Prophet, Dein Dichtermund.
Tags und Nachts, durch alle Weltenräume,
Mach' ich Deine Liebe kund.
III.
Und sie hat nicht 'mal gefragt,
Ob ich Christ bin oder Jude,
Namen hab' ich nicht gesagt,
Ob ich Jakob oder Lude.
Hat mich immer nur geküßt
Und geschaut in meine Augen,
Nichts gewünscht, wenn sie nur wüßt',
Ob die zwei was taugen.
Fragte Gretchen doch den Faust,
Ob er an den Herrgott glaube,
Und wie's ihr im Herzen graust,
Wenn er ihr den Himmel raube.
Schau mir nur in's Angesicht!
Alles steht mir da geschrieben,
Daß kein Gott ist, wenn Du nicht
Ewig treu und fest im Lieben.
IV.
Mein selig Kind ist fromm und gut
Und weiß nichts von der Welt,
Weiß nur, daß Gott im Herzen ruht,
Nicht blos im Himmelszelt.
Da draußen wogt und webt Natur
So wie es ihr gefällt,
Ganz tief geheim ist Gottes Spur:
Gott ist das Herz der Welt.
Am Pulsschlag, wie er klopft und geht,
Erkennst Du, was Dich hält;
Nur wenn das Herze stille steht,
Dann erst zerbricht die Welt.
V.
Du mein Buch, Du meine Fibel,
Einzig Alphabet,
Du mein Koran, meine Bibel,
Und ich Dein Prophet.
Kann ich's fassen, treu behalten,
Wie Dein Athem weht,
Was in Deinen Herzensfalten
Still geschrieben steht?
VI.
(Als sie blaß war und krank schien)
Heilig ist die Erde,
Heilig ist Dein Herz.
Daß es göttlich werde,
Steigt es himmelswärts?
Laß mich Dich bekleiden
Mit dem Erdenrest,
An den kleinen Freuden
Halt' ich, Herz, Dich fest.
Bleibst Du mir in Gnaden,
Oder fliehst Du mich?
Ach, am seidnen Faden
Halt' ich, Vogel, Dich!
VII.
Durch die Felder schweif' ich hin,
Singe mir ein Liedchen,
Sing' von meiner Königin,
Kühle so mein Müthchen.
Ist das noch dieselbe Welt?
Noch dieselbe Sonne?
Lieb' hat Alles wohlbestellt,
Kennt nur Glück und Wonne.
VIII.
Und wenn mich Nachts das Sternenheer befällt,
Um mein Geheimniß still mir abzulauschen,
Dann fühl' ich, was mich ewig trägt und hält,
Dann hör' ich Gott mit seinem Mantel rauschen.
Gott hat die Welt in dunkle Nacht gehüllt,
Damit sich zeigt, was ewig dauernd bliebe.
Des Tages Wünsche sind im Schlaf gestillt -
Und sieh, auch selbst im Traum bleibt wach die Liebe.
Drum, laß die Welten auf und niedergeh'n,
Laß Wetter dräuen, finster, qualvoll, trübe:
Du wirst in alle Ewigkeit besteh'n,
Denn Gott ist ewig, ewig ist die Liebe.
IX.
"Was nennst Du Deine Liebe schwer und groß
Und machst so kleine, fingerlange Lieder?"
Die Antwort liegt im ganzen Schicksalsloos,
Die Frage klingt im ganzen Weltall wieder.
Auch Gott hat, ist er gleich so groß und himmelweit,
Sein Herz in viele kleine Sterne hingestreut.
Wie Gott in's All die Sterne hat gesä't,
So streu' ich Dir in's Herz die kleinen Lieder.
Birg Du die Saat nur, lausche früh und spät,
Und gieb's an Liebe tausendfältig wieder!
X.
Morgenstern und Abendstern,
Steigst Du mir hernieder,
Nur der Mittag bleibt mir fern
Mit dem Glanzgefieder.
Nicht in blutig Roth getaucht,
Ohne Gluthverlangen,
Hell und rosig angehaucht
Leuchten Deine Wangen.
Perle Du im Morgenthau,
Birg Dich vor dem Wetter
Auf der sonnenschweren Au,
Ach, verschließ' die Blätter.
Hüll' in tausend Schleier Dich,
Bis die Sterne winken,
Nachtviolen abendlich
Thau der Liebe trinken.
XI.
Wenn ich weine, wirst Du zittern,
Denn ich weine schwer;
Lange muß es erst gewittern,
Sonst wohl nimmermehr!
Dann mit Millionen Fluthen
Ueberstürz' ich Dich;
Die im Schooß der Berge ruhten,
Lösen jählings sich.
Löschen einmal meine Flammen,
Dann als Sturzbach noch
Werf' ich Deine Welt zusammen
Und umarm' Dich doch!
XII.
(Mit einem Armbande)
Arm und Finger kann man binden,
Aber wie das Herz? -
Muß sich selbst die Wege finden
Erd- und himmelwärts.
Muß sich selbst in Liebe binden
Täglich wieder neu,
Muß sich selbst Gesetze finden
Unumwunden frei.
Liebe läßt sich nicht begreifen,
Läßt sich "fassen" nicht;
Hätt' ich tausend goldne Reifen,
Bänd' ich, Herz, Dich nicht.
Herzen sind nur treu verbunden,
Wenn sie täglich neu
Sich in Liebe still gefunden:
Lieb' ist ewig frei.