Ständchen am Vesuv

Unruhige du, du rufst mir "ruhe!" zu:
Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
Emporgewirbelt von erneutem Drang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ein Ameisenhaufen bin ich, den gestört
Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt!
Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin die Wachtel, über Meer verirrt,
Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!
(Band 1 S. 388)
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Collection: 
1856

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