O, warte

O warte, o warte, jung' Mägdelein du,
Bis gern deinem Lenz du enteilest;
Es lacht wohl der goldigste Himmel dir zu
Daheim, wo so selig du weilest.

Da bist du und bleibst du ein glückliches Kind,
Geschützt von der Liebe der Deinen;
Die Engel der Unschuld und Güte, sie sind
Dir Wächter im Herzen, im reinen.

Noch kannst du nicht fühlen der Liebe Gewalt
Und doch sie schon fassen und ahnen;
Gieb Acht nur, es wird deine Seele dich bald
An sie und ihr Walten gemahnen.

Du glaubst, das verlorene Eden erblüht
Im wonnedurchschauerten Herzen,
Wo Liebe zwei Seelen durchbebt und durchglüht -
O, laß dir dein Glück nicht verscherzen!

Und warte! und schau' nicht auf Gold und auf Rang;
Die Liebe sei Stern deines Lebens!
"Der Wahn ist so kurz, und die Reue so lang!" -
Und du lebst ohne Liebe vergebens.

Collection: 
1877

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