(Vor einem Gemälde)
Gewaltiger ist Liebeskraft, als Wahn und Priesterbande,
Es bebt in düst'rer Leidenschaft der Mann im Mönchgewande;
Denn Kampf und Satzung schirmen nicht vor heißem Seelenbunde,
Und Heloisens Auge spricht urew'ge Liebeskunde:
"O klage nicht mit Thränen bang' um den verlor'nen Frieden,
So deinem Sein ein Weiheklang: die Liebe - ward beschieden.
Die Liebe naht dir unbewußt, die göttliche, die wahre;
Aus Schmerz und Glück, aus Leid und Lust entkeimt die Wunderbare.
Kein Dürfen und kein Wollen gilt in ihrem Heiligthume,
Dem göttlich hehren Muß entquillt die lichte Wunderblume.
Gott ist die Liebe! - Lehrt Natur zu diesem Gott dich beten,
So horch' dem Ruf der Liebe nur, dem göttlichen Propheten.
Und was dir tief im Herzen spricht, ist ohne Schuld und Fehle;
Verbirg dein hold' Geheimniß nicht der heißgeliebten Seele.
Und opf're nicht dein Liebstes hin der Satzung und dem Scheine -
Die Liebe nur ist Hochgewinn, die heilige, die reine!
Doch miss' nach ihren Früchten auch die Liebe und ihr Walten,
Sie muß dein Sein, wie Gotteshauch, durchleuchten und entfalten,
Und aufwärts schwingt sich zauberhaft dein Geist vom Weltgetriebe;
Denn Schwäche nicht, nein - Gotteskraft ist treuer Herzen Liebe!" -
So ward ein Liebesheldenthum für alle Zeit errungen;
Vereinigt hält der Sage Ruhm die Liebenden umschlungen.
Und webt auch ewig Menschenwahn des Erdenglücks Vernichtung,
Das wilde Leid der Erdenbahn versöhnen Kunst und Dichtung.