Mit einem Kranze "Jelängerjelieber"

I.
Die Lehre von der Flüchtigkeit des Lebens
Begann wohl mit dem ersten Liebeskuß,
Es stirbt der Augenblick in dem Genuß;
Das Glück zu fesseln trachtest du vergebens.

Wohl war dies' Thema Gegenstand des Strebens
Der alten Weisen, wie es zum Verdruß
Der jüngsten Gegenwart gereichen muß,
Und alle Menschenkinder - sie erleben's.

Ein Häuflein giebt's nur, das sich muthig wehret
Und mit Erfolg die Flüchtigkeit der Dinge
Kühn überwindet, im - Begeisterung-Fieber! -

Das sind die Dichter, gänzlich unversehret
Bleibt ihnen süßer Lieb' und Hoffnung Schwinge;
Sie sind berauscht, je länger, um so lieber!

II.
Je länger ach! je lieber wollt ich sagen,
Dir einen Kranz von diesen Blüthen reichen
Mit des Sonettes klingend holden Zeichen -
Nun hat mich Gründlichkeit zu weit getragen.

Die Uranfänglichkeit mußt' ich erst wagen
Mit Sonst und Jetzt und Immer zu vergleichen:
So mußte mir das Blumenbild entweichen,
Und vierzehn Zeilen hab' ich zu beklagen.

Nun aber will ich mich in Kürze fassen,
Will alles Flüchtige und Nicht'ge lassen,
Bin ich doch dein, je länger um so lieber!

Es möge mir dein Blick, dein Lächeln geben
Im Wechsel Dauer, im Vergehen Leben; -
O, bleibe mein, je länger ach! je lieber!

aus: Wiesenblumen von der Sieg
und Feldblumen vom Rheine
Von Kath[arina] Diez und Elis[abeth] Grube geb. Diez
1. und 2. Theil
Düsseldorf 1847

Collection: 
1857

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