Das alte Lied

I.
Mein Mädel gab den Laufpaß mir,
Will einen andern lieben -
Kein Thränlein fiel auf das Papier
Drauf zierlich sie mir's geschrieben.

Lenzsonne lachte ins Gemach
Und auf den Brief hernieder -
Die Schwalben zwitscherten am Dach
Und bauten ihr Nest sich wieder.

Da hab' ich die Liebe mit Gewalt
Mir aus der Brust gerissen -
Und hab' die Faust nur stumm geballt
Und blutig die Lippen gebissen.

Für dich nicht einen Schmerzenslaut,
Wär' mir zu schad' erschienen -
Viel Glück, viel Glück, du junge Braut
Thust's ja um mich verdienen!

II.
Goldlicht durch grüne Zweige floß,
Wie hatten wir lieb uns, wir zweie -!
Da war der Falk' noch dein Genoss'
Der wilde, - flügelfreie. -

War dir zu kühn die Wanderfahrt
In Lüften, wunderblauen!? -
Du stiegst herab - mit niedrer Art,
Erdwärts, ein Nest zu bauen.

III.
Nun liegt die Nacht, die schwarze Nacht
Über den Türmen und Gassen.
Die frohen Gesellen, die mit mir gelacht,
Die haben mich nun verlassen.

Sie schlafen längst - ohne Reu' und Harm
In ihrer Jugend Frische,
Der eine vielleicht in Liebchens Arm,
Der andre - unter dem Tische.

Ich geh' allein - es hallt mein Schritt -
Hin in die träumende Weite,
Nur einer geht getreulich mit
Und bleibt mir stumm zur Seite. -

Wie oft ich ihm entfliehn gewollt,
Wie oft ich, bei wilden Gelagen
Sein dumpfes Mahnen verlacht, vertollt,
Und in den Wind geschlagen;

Ich wußt' es längst, Flucht bringt kein Heil,
Ich muß ihm doch erliegen!
So nimm denn, Schmerz, dein volles Teil,
Du läßt dich nicht betrügen!

IV.
Nun brech' ich ins Knie, die Hände geballt,
In regennasse Heide -
Es rauscht der knospende Buchenwald
Über zuckendem Herzeleide. -

Fern leuchtet ein Wetter in fahler Pracht,
Lauschwere Tropfen fallen -
Zu meinen Häupten, die ganze Nacht,
Schluchzen die Nachtigallen.

Collection: 
1900

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