Psyche

Schuf der Wunsch die holde Dichtung?
war es wirklich? Warum drohte
reinstem Herzensglück Vernichtung?
Flammen starben, kaum entlohte.
Liebe kam, Liebe ging,
wie ein schöner Schmetterling.
war's ein Traum?

Eine kindlich scheue Haltung
nahm mich flugs für sie gefangen,
und die zierlichste Gestaltung,
die zwei Arme je umschlangen.
Nackte Füße, braune Haut,
eine kleine Bettelbraut
stand sie da.

Amor brachte selbst das Kind mir,
Führte ritterlich die Kleine,
und sein Blinzeln fragte: Sind wir
guten Leute auch alleine?
Segnete uns Hand in Hand,
einen kurzen Ehestand,
eine Nacht.

Liebe sie, sie hat dich gerne.
Frierend stand sie auf der Straße,
Pilgerin aus weiter Ferne,
Tochter einer fremden Rasse.
Heißes Blut, heißer Sinn
zwang sie nach dem Liebsten hin,
ohne Halt.

Und ich nahm die mir Geschenkte,
nahm sie aus den Götterhänden.
Die vor Scham die Wimper senkte,
wollte halb zur Flucht sich wenden,
aber in des Gottes Blick
unerbittliches Geschick
hielt sie fest.

Auf das harte Lager zog ich
die Erglühte zärtlich nieder,
und auf ihre Lippen bog ich
küssend wieder mich und wieder,
nästelnd ärmlichstes Gewand
zitterte die heiße Hand
ungewohnt.

Laß, so wehrt sie, Ungeschickter,
wirrst die Fäden nur zum Bösen!
Könnt ein Ungeduldverstrickter
auch so seine Knoten lösen?
zierlich lockert sie die Schnur,
zeigt die lieblichste Natur
unverhüllt.

Leichtgebräunte Meerschaumtöne,
draus sich rosige Lichter heben,
eine knospenhafte Schöne,
Frühlingsfülle, Frühlingsleben,
wunderholde Blütenpracht,
mir im Lenzrausch dargebracht:
pflücke mich!

Liebesfeier, trunknes Lallen.
Deinen Namen laß mich kennen.
Namenlos will ich gefallen,
tausendfach kannst du mich nennen.
Nenne mich mit Liebeslaut,
nenn mich einzig deine Braut,
die ich bin.

Leicht beschwichtigt sie den Frager.
Liebe traut auch Namenlosen,
Liebe ruht auf dürftigem Lager
wie auf Teppichen von Rosen.
Liebe kennt nicht Zeit noch Raum,
Liebe lebt in Glück und Traum
fragelos.

Amor hielt die Wacht am Fenster,
und er hob des Vorhangs Falte.
Auf die Liebesnachtgespenster
fiel das Tageslicht, das kalte.
Tote Glut. Ein Schattenleib.
Geisterhauch. Was fliehst du? Bleib!
War's ein Traum?

aus: Gesammelte Dichtungen von Gustav Falke
Dritter Band: Der Frühlingsreiter
Hamburg und Berlin Alfred Janssen 1912

Collection: 
1912

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