Neapel

Ich dachte, das wäre die Liebe,
Nun weiß ich: sie war es nicht!
Es war ein flüchtiges, zartes,
Feinduftiges Frühlingsgedicht.

Es war nach dem ewigen Sterben
Ein Fliederblühen im Mai,
Und war mit den ersten Rosen
Verträumt, vergangen, vorbei.

Und in Neapel am Strande,
Da macht' ich in Buchsbaum ein Grab,
Und warf mit Orangen und Veilchen
Mein Jugendlieben hinab.

Und meinte, daß sehr zu beklagen
Ich sei, und gebrochen das Herz,
Und nährte in Mondschein und Düften
Den ersten schmerzlosen Schmerz.

Nie hab' ich von Menschenmunde
Das Wort: Ich lieb' dich! gehört,
Ich wäre wie Wellen vorm Winde
Entflohen, gekränkt und empört.

Ich war nicht zum Lieben geboren,
Und liebte das Liebhaben doch, -
Im sonnigen Gold von Neapel
Da lächelt in Blumen es noch.

aus: Meerlieder von Carmen Sylva
 Bonn 1891

Collection: 
1885

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